Britta Kuhn
Ole Michaelis zeigt in seiner Bachelor-Thesis, dass sich Doping für alle Beteiligten lohnt[1]
Doping wird im Leistungssport medienwirksam geächtet. Alles nur eine Farce? Tatsächlich verdienen nicht nur Sportler, deren Entourage, Sponsoren und Sportverbände beträchtlich an sportlichen Spitzenleistungen. Auch Medien, Zuschauer und ganze politische Systeme gieren danach.
Fast alle profitieren von Doping
Die öffentliche Wahrnehmung konzentriert sich in spektakulären Doping-Fällen auf die Sportler. Tatsächlich hängt ihr Einkommen vor allem in Sportarten mit Live-Berichterstattung von Spitzenleistungen ab. Denn Publikum und Werbewirtschaft interessieren sich vornehmlich für die Besten der Besten – Ökonomen sprechen vom „Superstareffekt“, der extreme Einkommensunterschiede erklärt[2]. Folglich leben auch Trainer und Manager vom Erfolg ihrer Schützlinge. Daneben verdienen Pharmaunternehmen, Ärzte und Apotheker an leistungssteigernden Mitteln, von Produzenten und Händlern im Schwarzmarkt ganz zu schweigen. Medien steigern ihre Auflagen, Klickraten bzw. Einschaltquoten, was wiederum die Werbekunden auf den Plan bringt. Sportverbände erhalten umso mehr Geld von Staat und Sponsoren, je erfolgreicher ihre Schützlinge sind. Was sollte sie treiben, Dopingfälle ernsthaft zu verfolgen? Schließlich profitieren ganze politische Systeme und führende Politiker von sportlichen Erfolgen – siehe Medaillenspiegel der ehemaligen DDR oder des heutigen Russlands[3]. Dass dies auch für Demokratien gilt, führt Bundeskanzlerin Merkel regelmäßig bei ihren Fußball-WM-Auftritten vor.
Besonders anfällige Sportarten
Warum spielt Doping im 100-Meter-Lauf eine größere Rolle als im Tennis? Weil der direkte Leistungsvergleich, unabhängig von Ort und Zeit, zu Usain Bolt möglich ist, aber nicht zu Boris Becker. Zweitens begünstigt eine hohe Leistungsdichte das Doping. In Teamsportarten wird drittens tendenziell weniger gedopt, weil die Einzelleistung einen geringen Gesamtbeitrag liefert. In Sportarten, in denen es eher auf Anstrengung als auf Taktik, Technik oder qualitative Urteile ankommt, umso mehr. Schließlich begünstigen natürlich hohe Preisgelder die „Dopingaffinität einer Sportart“[4].
Was ist der gesellschaftliche Preis des Dopings?
Für die Sportler stellen die Beschaffungskosten noch das geringste Übel dar. Schwerer wiegen gesundheitliche Schäden und drohende Sperren mit entsprechenden Einnahmeeinbrüchen. Gesamtgesellschaftlich handelt es sich beim Doping um ein typisches Gefangenendilemma: Kooperation wäre für alle Athleten vorteilhaft – niemand dopt, deshalb sind die Erfolgschancen zwar unverändert, aber alle bleiben gesund. Kooperation kommt aber im Markt nicht zustande – alle Sportler dopen also, ihre Erfolgschancen sind unverändert, aber alle schädigen ihre Gesundheit. Negative Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft liegen vor allem in höheren Krankheitskosten für die Versichertengemeinschaft, ungesunden Nachahmungseffekten im Breitensport und mehr Kriminalität. Allerdings zeigt die Thesis auch, dass dopingaffine Sportarten das Bruttoinlandsprodukt steigern, solange das Doping verborgen bleibt. Denn die Zuschauer wollen Rekorde sehen[5].
Fazit
Michaelis schreibt: „Außergewöhnliche Leistungen sind medial hervorragend zu vermarkten (…). Ob dieser Erfolg mit Doping zu Stande kommt, ist den Parteien solange egal, bis der Betrug öffentlich wird.“[6]. Es geht also nicht wirklich darum, Doping zu verhindern, sondern der breiten Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, immer bessere Leistungen seien auf natürlichem Wege möglich. Diese Haltung findet sich in vielen Bereichen unserer Gesellschaft, man denke an millionenfache Schönheits-Operationen, die der Einzelne gerne verleugnet. Doping ist also eine von vielen Fratzen unserer Leistungsgesellschaft. Wer dagegen vorgehen will, sollte Berichte über den Spitzensport vollständig ignorieren. Dann bricht das finanzielle Kartenhaus sofort zusammen. Aber wer ist schon innerlich so unangepasst?
Quellen:
[1] Ole Michaelis, „Doping im Leistungssport: Eine ökonomische Analyse“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 13.3.2015.
[2] Ole Michaelis, a.a.O., Abschnitt 4.3.
[3] Ole Michaelis, a.a.O., Kapitel 3.
[4] Ole Michaelis, a.a.O., Abschnitt 2.2., Zitat S. 4.
[5] Ole Michaelis, a.a.O., Abschnitt 4.1.2, 4.2 und 4.4.
[6] Ole Michaelis, a.a.O., S. 9.