Britta Kuhn
Ein Wort, das es in sich hat, wie Prof. Dr. Rainer Wedde von der Wiesbaden Business School am 18.10.2023 im Wiesbadener Rathaus erläuterte.
Auslöser und Hauptinhalt des deutschen Gesetzes
2013 stürzte die Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch ein. Tausende Arbeitskräfte, darunter viele Kinder, wurden dabei getötet oder verletzt. Die Tragödie führte in Deutschland 2016 zum Nationalen Aktionsplan von 2016: Auf freiwilliger Basis sollten deutsche Unternehmen wie der Textildiscounter Kik dafür sorgen, dass ihre Zulieferer sich an menschen- und arbeitsrechtliche Mindeststandards hielten. Eine Umfrage in den Jahren 2019/20 ergab jedoch, dass freiwillig wenig geschehen war. Daher entwickelte die damalige Große Koalition das Gesetz mit dem langen Namen, abgekürzt LkSG. Es gilt seit 2023.
Das LkSG erfasst Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitskräften, die ihren Firmensitz in Deutschland haben. Ab 2024 wird die Schwelle auf 1.000 Arbeitskräfte sinken und damit auch mittelständische Unternehmen betreffen. Bußgelder bis zu 2 Prozent des Umsatzes darf das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, die BAFA in Eschborn, verhängen. Eine persönliche Managerhaftung ist explizit ausgeschlossen. Vielmehr geht es darum, das Bemühen um saubere Lieferketten zu dokumentieren, also z.B. Risiken zu analysieren, Präventions- bzw. Abhilfemaßnahmen zu treffen, Beschwerdeverfahren zu etablieren und Menschenrechtsberichte zu verfassen. Der Referent erläuterte jedoch den „Trickle-down-Effekt“ des Gesetzes: Vertragspartner deutscher Konzerne würden ihrerseits kleine Zulieferer an der Kontrollarbeit beteiligen. Das Gesetz fände dadurch indirekt breite Anwendung.
Weitreichende Pläne der Europäischen Kommission
Innerhalb der EU verfügen bisher neben Deutschland nur Frankreich und die Niederlande über ein Lieferkettengesetz. Das will die EU-Kommission mit Parlament und Ministerrat ändern. Seit 2022 existiert ihr Richtlinienentwurf, der weit über die deutsche Regelung hinausgeht. Der Vorschlag gilt für Unternehmen ab 500 Arbeitskräften, in „Risikobranchen“ wie der Textilindustrie bereits ab 250. Die gesamte Wertschöpfungskette wäre erfasst und eine persönliche Managerhaftung vorgesehen. Neben der unmittelbaren Haftung will das europäische Gesetz schließlich alle Unternehmen weltweit einbeziehen, die innerhalb der EU mehr als 150 Mio. Euro umsetzen.
Offene Fragen
Die anschließende Diskussion warf unter anderem die Frage auf, welche arbeitsrechtlichen Regeln im Lieferkettenrecht gelten. Hier verwies der Referent auf Übereinkommen der Vereinten Nationen und der Internationalen Arbeitsorganisation. Überlegt wurde daneben, wie eine praxistaugliche Umsetzung im Mittelstand aussähe: Könnte eine staatliche Stelle Lieferanten auf Positiv- bzw. Negativlisten setzen? Oder sich ein privater Dienstleistungsmarkt entwickeln, an den mittelständische Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten outsourcen würden? Was brächte ein freiwilliges Gütesiegel als Positiv-Anreiz vor dem Hintergrund, dass in Deutschland die Freiwilligkeit gescheitert sei? Bestünde schließlich die Gefahr, dass sich hiesige Unternehmen aus Ländern wie Bangladesch zurückzögen, um stattdessen zum Beispiel Textilien verstärkt in Rumänien produzieren zu lassen? Diese Relokalisierung reduziere die internationale Arbeitsteilung und widerspräche wohl der Intention der Gesetzgeber, eher auf Befähigung als auf Rückzug zu setzen. Aber wie realistisch erscheint es, schwache Institutionen in armen Lieferländern zu „ertüchtigen“, fragte der Referent. Oder wie ließe sich ein Verstoß etwa eines US-Konzern gegen ein europäisches Lieferkettengesetz sanktionieren? Analog zum EU-Wettbewerbsrecht, also durch Geldbußen bis zur angedrohten Schließung des Marktzugangs? Was aber würde diese Schließung für Europa bedeuten, wenn es um seltene Rohstoffe oder Smartphones ginge, auf deren Import wir hierzulande angewiesen seien?
Fazit der Autorin
Der Vortrag verdeutlichte, dass die Bürokratisierung der deutschen Wirtschaft eher zu- als abnehmen wird. Das belastet vor allem mittelständische Unternehmen hierzulande, die aber als die Stütze des deutschen Wohlstands gelten. Daneben dürften sich unsere Konsumgüter verteuern, wenn sie künftig gemäß steigender Schutzstandards oder direkt in reicheren Volkswirtschaften hergestellt werden. Dieser Zielkonflikt, der bekanntlich auch beim Thema Umweltschutz besteht, ist westlichen Konsumenten bisher schwer zu vermitteln.