Bleibt die Halbleiter-Produktion weltweit verflochten?

Britta Kuhn

Ulrike Rasenbergers Bachelor-Thesis analysiert Interdependenzen und Entkopplungsperspektiven der globalen Halbleiterindustrie[1]

In der Halbleiter-Herstellung hängen die USA, China und Europa stark voneinander ab. Initiativen wie der European Chips Act oder der CHIPS of America Act sollen das ändern. Wie realistisch ist die Entflechtung?

Aktuelle Geschäftsmodelle[2]

Halbleiter sind ein wesentlicher Bestandteil von (Mikro-)Chips. Die Halbleiterindustrie unterscheidet in der Regel drei Geschäftsmodelle: Erstens Integrated Device Manufacturer (IDMs) wie Intel, Infineon oder Samsung, die alle Wertschöpfungsstufen in ihrem Unternehmen abbilden. Zweitens Fabless Firms wie Qualcomm oder Broadcom, die den Herstellungsprozess outsourcen. Drittens Foundries wie TSMC, die als Auftragsfertiger für die Fabless Firms fungieren. Ein viertes Geschäftsmodell wird manchmal in assembly, testing and packaging services (ATP) gesehen, was ebenfalls Spezialisten wie ASE oder ChipPAC übernehmen.

Gegenseitige Abhängigkeiten[3]

Sieben der zehn größten IDMs und Fabless Firms stammen aus den USA, zwei aus Südkorea und einer aus Taiwan. In Europa gibt es nur wenige nennenswerte Halbleiterproduzenten, darunter Infineon aus Deutschland. Bei den Auftragsfertigern dominiert Taiwan mit rund zwei Dritteln der Produktion vor Südkorea und der Volksrepublik China. US-amerikanische Unternehmen konzentrieren sich überwiegend auf Forschung, Entwicklung und Design besonders hochwertiger bzw. leistungsstarker Chips. Das für die Herstellung fortschrittlicher Chips notwendige Equipment unterliegt strengen US-Exportkontrollen. „Einfache“ Chips, die zum Beispiel in der Autoindustrie nötig sind, fertigt umgekehrt China in großer Zahl. Auf diese Chips sind die USA, Europa und das restliche Asien dringend angewiesen. Der Volksrepublik fehlen ihrerseits bisher die Kenntnisse und Geräte, um Hochleistungs-Chips herzustellen. Die asiatische und US-amerikanische Halbleiterindustrie ist schließlich auf hochspezialisierte Zulieferer wie die niederländische Advanced Semiconductor Materials Lithography (ASML) oder die deutsche ZEISS Semiconductor Manufacturing Optics angewiesen.

Beispielhafte Entkopplungsinitiativen[4]

Kein Land oder Unternehmen deckt also bisher den gesamten Wertschöpfungsprozess der Halbleiterfertigung ab. Insbesondere die EU, die USA und China wollen jedoch unabhängiger werden. So strebt der European Chips Act 20 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten an. Vor allem Hochleistungs-Chips sollen öffentliche Beihilfen erhalten. Auch die US-Regierung subventioniert mit dem CHIPS of America Act und dem Science Act die heimische Chip-Entwicklung und -Herstellung. Über Chip 4 Alliance strebt sie außerdem eine vertiefte Zusammenarbeit mit Taiwan, Japan und Südkorea an. Ob dies unter Ausschluss Chinas realistisch ist, erscheint jedoch fraglich. Zumal die Volksrepublik seit 2015 im Rahmen von Made in China 2025 ebenfalls an ihrer technologischen Unabhängigkeit und Exzellenz arbeitet, wie die Thesis anhand vielfältiger Beispiele zeigt.

Fazit[5]

Trotz umfassender Entkopplungsinitiativen werde „immer eine gewisse Abhängigkeit untereinander bestehen“ bleiben, schließt die Verfasserin. Zu verflochten sei die Wertschöpfungskette, zu verteilt der jeweilige komparative Vorteil.


Quellen:

[1] Ulrike Rasenberger, „Interdependenzen in der globalen Halbleiterindustrie: Aktueller Stand und Entkopplungsperspektiven“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 28.03.2023.

[2] Im Detail: Ulrike Rasenberger, a.a.O., Kapitel 2, S. 2 ff.

[3] Im Detail: Ulrike Rasenberger, a.a.O., Kapitel 3, S. 5 ff.

[4] Im Detail: Ulrike Rasenberger, a.a.O., Kapitel 4, S. 12 ff. 

[5] Im Detail: Ulrike Rasenberger, a.a.O., Kapitel 5, S. 17.

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