Britta Kuhn
Drei Bücher von Heike Baldauf, Stefan Wolf sowie Andreas Stoffers und Long Quang Pham drehen sich um die deutsch-vietnamesische Beziehung. Hier eine Zusammenfassung meiner Buchbesprechungen aus dem Fachbuchjournal.[1]
Länderporträt von Baldauf[2]
Die Leipziger Journalistin erläutert, wie die besonders enge deutsch-vietnamesische Beziehung entstand und welche Chancen darin liegen. Die Kapitel reichen von Alltagseinblicken über sozioökonomische Hintergründe bis zu einer kleinen Kulturgeschichte des Landes. Das Vorwort bietet einen ersten Überblick. Anschließend geht es um Krieg, soziale Ungleichheit, Hanoi und Brauchtum. Die Autorin verdeutlicht Ho Chi Minhs prägende Rolle. Er werde bis heute vom Volk verehrt. Ausführlich schildert sie die von den USA verübten Gräuel des Vietnamkrieges, ebenso die Armut der Menschen in den Hoch- und Randlagen. Einen inhaltlichen Schwerpunkt stellt die Hauptstadt Hanoi dar. Nicht nur hier kritisiert die Verfasserin Vietnams bestechliches. Im Brauchtum-Kapitel erklärt Baldauf unter anderem, was Vietnam von China unterscheidet. Anschließend geht es um Politik, Wirtschaft, Gesundheit, Bildung und Kultur. Politischen Streit gibt es mit China um die Paracel-Inseln und mit China, Brunei, Malaysia, den Philippinen und Taiwan um die Spratly-Inseln. Wirtschaftlich öffnet sich das kommunistische Land seit Jahrzehnten: 1997 ASEAN-Beitritt, 2001 Handelsabkommen mit den USA, 2007 WTO-Beitritt, 2015 Handelsabkommen mit der EU. Auch reiche Bodenschätze machen es für westliche Wirtschaftspartner besonders interessant. Deutsche Unternehmen gelten in Vietnam als sehr Arbeitgeber. Großkonzerne wie BMW, Bosch, BASF, Siemens und Daimler betreiben dort eigene Produktionsstätten, mittelständische Unternehmen fehlen noch. Beide Länder verbindet auch die Teilungserfahrung und ab den 1970er Jahren kamen viele Vietnamesen nach Deutschland – Südvietnamesen eher in den Westen, Nordvietnamesen eher in den Osten. Insgesamt vermittelt Baldauf ein facettenreiches und positives Bild des Landes. Kritische Töne, insbesondere gegenüber Ho Chi Minh, dem ehemaligen Nordvietnam oder den ungünstigen Folgen jahrzehntelanger Planwirtschaft, sind rar. Aber die Kernbotschaft für Deutschlands Wirtschaft ist klar: „Vietnam rollt uns den roten Teppich aus. Wir müssen nur darüber hinweggehen“ (S. 217).
Berufsbildung von Wolf[3]
Vietnamesische Fachkräfte sind bei der deutschen Wirtschaft begehrt. Was es hierbei in Deutschland und bei vietnamesischen Direktinvestitionen zu beachten gilt, detailliert der Berufspädagoge Wolf von der TU Dortmund. Nach einem landeskundlichen Überblick stellt er beispielhafte vietnamesische Berufsausbildungen und das gesamte Bildungssystem vor. Die weiteren Kapitel ordnen die berufliche Aus- und Weiterbildung noch detaillierter ein, enthalten Literaturhinweise und praktische Informationen. Für Laien sind das erste und dritte Kapitel interessant. Sie führen kurz und bündig in die vietnamesische Politik, Wirtschaft und Kultur ein bzw. betten das Berufsbildungssystem umfassend in die Entwicklungsgeschichte der vietnamesischen Bildungslandschaft ein. Sie ist von der wechselvollen Geschichte des Landes nicht zu trennen. Im Übrigen eignet sich das Buch eher für Fachleute.
Kulturguide für Arbeitskräfte von Stoffers und Pham[4]
Stoffers ist Professor für Internationales Management in München, Phạm promoviert in Hanoi. Die beiden Herausgeber und die weiteren 17 Autoren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft verfügen über profunde Vietnam-Kenntnisse und Bindungen. Zunächst geht es um Geschichte, Sprache, Fettnäpfchen, regionale Unterschiede, Politik und Verwaltung sowie Ho Chi Minh. Das Kapitel zur Karriereplanung empfiehlt erfolgversprechende Kulturtechniken während und nach dem Auslandseinsatz. Die Aufsätze in „Mensch und Arbeit im Unternehmen“ drehen sich um Unterschiede zwischen deutschen und vietnamesischen Beschäftigten und deren optimale Zusammenarbeit. Weiter geht es mit Netzwerken und rechtlichen Fallstricken. „Das Leben in Vietnam genießen“ handelt von den vielfältigen Begleiterscheinungen, mit denen ein Auslandseinsatz steht und fällt. Der Anhang präsentiert kompakte Informationen über das wirtschaftspolitische System und konkrete Ansprechpartner. Insgesamt bietet der Sammelband vielfältige praktische Informationen und persönliche Einblicke. Das macht die Lektüre authentisch, aber streckenweise langatmig. Dafür ist das Buch gut strukturiert und leicht lesbar. So bleibt auch beim Überfliegen einiges hängen oder kann fallweise vertieft werden.
Fazit
Vietnam und Deutschland verbindet historisch viel. Wie China hat sich das kommunistische Land wirtschaftlich schrittweise geöffnet. Entsprechend stark wächst das Bruttoinlandsprodukt. Anders als China stellt das Land für die deutsche Volkswirtschaft kein Klumpenrisiko dar. Im Zuge unserer außenwirtschaftlichen Diversifizierung ist Vietnam daher ein wichtiger Partner.
Quellen:
[1] Britta Kuhn, Vietnam – der aufsteigende Drache (Rezensionen). Fachbuchjournal, 2023, 15(6), S. 42-43, https://fachbuchjournal.partica.online/fachbuchjournal/fachbuchjournal-6-2023/flipbook/44/
[2] Heike Baldauf, Vietnam. Ein Länderporträt. Ch. Links Verlag, 2016.
[3] Stefan Wolf, Vietnam. Internationales Handbuch der Berufsbildung. Hrsg.: Bundesinstitut für Berufsbildung, Band 54. Verlag Barbara Budrich 2021.
[4] Andreas Stoffers, Long Quang Pham (Hrsg.), Der aufsteigende Drache – Erfolgreich in Vietnam. Ein interkultureller Guide für alle, die in Vietnam arbeiten oder arbeiten wollen. Springer Gabler 2021.