Britta Kuhn
Sand, Salz, Eisen, Kupfer, Öl und Lithium. Ed Conway erklärt ihre wirtschaftliche Bedeutung in seinem Buch Material World, das ich in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen bespreche.[1]
Wirtschaftliche Bedeutung von Rohstoffen – früher, heute, künftig
Conway spannt für sechs Schlüsselmaterialien einen weiten Bogen: Wann wurden sie warum für die Entwicklung unserer Zivilisation überragend wichtig? Wie verlief und verläuft ihre Förderung und Verarbeitung entlang der Wertschöpfungskette? Welche Probleme entstanden dadurch für Umwelt und lokale Bevölkerung? Und warum bleiben diese Werkstoffe auch in Zukunft überragend wichtig?
Das Sand-Kapitel reicht von der Glasherstellung der Antike über Beton bis zur modernen Chipproduktion. Am Beispiel dieser Schlüsselindustrie verdeutlicht der Journalist, welche Gefahren von der aktuellen geoökonomischen Fragmentierung zwischen den USA und der Volksrepublik China für sämtliche Wirtschaftsräume ausgehen. Auch „Salz“ vertieft maßgebliche damalige und heutige Ereignisse wie Akteure. Außerdem Kriege und Innovationen, die in diesem Zusammenhang stattfanden – etwa den Salpeterkrieg oder das Haber-Bosch-Verfahren. Den Salpeterkrieg trug Chile mit Bolivien und Peru aus. Das Haber-Bosch-Verfahren ermöglichte später die Ammoniaksynthese aus atmosphärischem Stickstoff, also ohne Salpeter, und damit die unbegrenzte Sprengstoff- und Düngerproduktion.
In „Eisen“ geht es unter anderem um den westaustralischen Eisenerzabbau und das ostukrainische Asowsche Stahlwerk. „Kupfer“ behandelt die Geschichte der Elektrizität und der nordchilenischen Kupferminen. Auch „Öl“ zeichnet die Förderhistorie des „schwarzen Golds“ akribisch nach. Zunächst dank höherer Energiedichte eher Lösung als Problem, schildert Conway viele Probleme der heutigen Petrochemie und Verbundproduktion. In „Lithium“ geht es erneut und Nordchiles Atacama-Wüste und die dortigen Förderbedingungen. Klar wird außerdem, warum auch Australien das „weiße Gold“ zur Veredelung traditionell gerne nach China schickte – Stichworte Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen.
Fachinformationen nach dem KLV-Prinzip…
Conways Erklärungen erreichen Kinder, Laien und Vorstände – also Lesergruppen, deren naturwissenschaftlichen Kenntnisse begrenzt oder längst vergessen sind. In „Sand“ begibt er sich zum Beispiel in die Tiefen der Festkörperphysik und verdeutlicht: Ohne Sand keine optischen Linsen oder Glasfaserkabel für das Internetzeitalter, keine deutschen Traditionsunternehmen wie Zeiss oder Schott, keine Weltraummissionen. Auch in „Lithium“ stellt er materialwissenschaftlich präzise und doch einfach dar, wie die gleichnamigen Batterien für Elektroautos funktionieren. Allein für diese Passagen lohnt ein Blick ins Buch.
…neben umfassender Belletristik
Material World beschreibt aber auch ausführlich Conways Minenbesichtigungen in aller Welt – inklusive sämtlicher atmosphärischer Details. Besonders gründlich schildert das Werk zum Beispiel, wie der westaustralische Eisenerzabbau heilige Stätten der lokalen Ureinwohner bedroht oder zerstört hat. Auch das Kriegsgeschehen im Asowschen Stahlwerk nimmt viel Raum ein. In „Kupfer“ widmet sich der Autor schließlich intensiv den weitgehend unerforschten Meeresböden. Spätestens hier fragt sich: Gab der Verlag eine Mindestseitenzahl vor? Oder warum ufert das Buch derart aus?
Fazit
Das Rohstoff-Buch beruht auf vielfältigen wirtschaftshistorischen und naturwissenschaftlichen Quellen, die das Buchende übersichtlich nachweist. Wer es komplett lesen will, sollte einige Abende für die mehr als 500 Seiten einplanen.
Quelle:
[1] Ed Conway, Material World. Wie sechs Rohstoffe die Geschichte der Menschheit prägen, Hoffmann und Campe, Hamburg 2024.Besprechung: Britta Kuhn, Wirtschaftsgeschichte und -zukunft aus Rohstoffsicht. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 2024, 77(16), S. 806.