Wird China Technologieführer?

Britta Kuhn

In seinem Buch Der Tech-Krieg warnt Wolfgang Hirn Europa und Deutschland davor, sich von China und den USA endgültig abhängen zu lassen. Hier die Kurzfassung meiner Buchbesprechung für die ZfgK.[1]

Hirns Kernthese: Kooperation statt Konfrontation 

Die wirtschaftliche und technologische Fragmentierung zwischen den USA und China hält der Autor für schädlich – vor allem für Europa und Deutschland. Im Einzelnen untersucht er, wie wettbewerbsfähig chinesische Spitzentechnologie (sehr!) im Vergleich zu amerikanischer (mäßig!) und europäischer (vernachlässigbar!) sei. Weitere Technologiestandorte wie Indien, Israel oder Japan lässt er bewusst außen vor. Es geht um Künstliche Intelligenz, Computer-Chips, Digitalisierung, Quantentechnologie, Energie und Verkehr, Biotechnologie und Medizin, Raumfahrt und Militärtechnik. Insgesamt entwickle China viele Zukunftstechnologien erfolgreicher als die USA. Speziell Deutschland sei längst abgehalftert. Nur mit einer wirtschaftspolitischen Positionierung zwischen den USA und China habe Europa dauerhaft eine Chance.

Neue Erkenntnis neben Altbekanntem und Werturteilen

Der ehemalige Reporter des Manager Magazins kombiniert lesenswerte Fakten, die hierzulande oft unbekannt sind, mit zugespitzten Forderungen, die sich wiederholen. Die Volksrepublik kommt dabei gut weg. Erkenntnisgewinn bieten die Kapitel zu den genannten Schlüsseltechnologien: Hier vergleicht der Autor die USA, China und Europa im Einzelnen. Das Kapitel „Künstliche Intelligenz“ stellt zum Beispiel die Datenbörsen in Shanghai und Beijing vor. „Digitalisierung“ beschäftigt sich mit Xiong’an, der Modellstadt nahe der Hauptstadt. „Quantentechnologie“ erklärt, warum China und die EU bei Quantensensorik noch eine Chance hätten. „Energie und Verkehr“ bewertet Chinas relativen Entwicklungsstand von A wie All bis W wie Wasserstoff-Technologie. Zwei weitere interessante Kapitel: „Talente“ argumentiert, wie erfolgreich China inzwischen seine klugen Köpfe im Ausland ausbilden lasse und anschließend zurückhole. „Industriepolitik“ vertieft die wichtige Rolle gelernter Ingenieure in der chinesischen Politik.

Leider greifen lange Buchpassagen tief in die Mottenkiste. Beispielthemen: Second Generation Innovation (Theorie aus den 1960er Jahren!); Entdeckung und Entwicklung des Internets (Startdatum der Erzählung: 1957!). Angesichts des Sachthemas Technologieführerschaft wirken daneben viele Formulierungen theatralisch bis daneben – beispielsweise die Kriegssprache oder Panikformeln wie „Droht ein pazifisches ‚Sarajewo‘?“.[2]

Einseitig China-freundliches Narrativ

Hirn argumentiert gradlinig pro-chinesisch. Kritik bietet er bestenfalls versteckt – beispielsweise im Abschnitt „Smart Cities oder realisierte Utopie“ über die Modellstadt Xiong’an, in der offenbar niemand freiwillig leben oder arbeiten möchte. Um seine Kernbotschaft nicht zu gefährden, blendet der Autor außerdem einiges aus. Zum Beispiel, dass China viele seiner „Made-in-China-2025“-Ziele auf die Jahrzehnte nach 2025 verschieben muss. Ein kritisches Hinterfragen china-freundlicher Quellen fehlt ebenfalls. Inhaltlich widersprüchlich erscheinen des Weiteren Aussagen zur europäischen Industriepolitik, die er grundsätzlich vehement befürwortet: Die EU benötige einen milliardenschweren, überaus ehrgeizigen Plan, um den technologischen Rückstand zu den USA und China aufzuholen.

Fazit

Von einem China-Derisking fehlt in diesem Buch jede Spur. Dafür bietet es interessante Detailinformationen und taugt als Weckruf in unserer „satten Gesellschaft“[3]


Quellen:

[1] Wolfgang Hirn, der Tech-Krieg. China gegen USA – Und wo bleibt Europa? 2024 Campus Verlag, Frankfurt/New York. Besprechung: Britta Kuhn, Hat China den Westen technologisch abgehängt? Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (2024) 77(19), S. 9744.

[2] Wolfgang Hirn, a.a.O., S. 256.

[3] Wolfgang Hirn, a.a.O., S. 26.

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