Britta Kuhn
Im Wirtschaftsdienst diskutiere ich drei China-Risiken für die deutsche Wirtschaft: Die Bevölkerungsentwicklung der Volksrepublik, ihren Umgang mit Taiwan und ihre Währungsprojekte[1]
Wachstumskiller Bevölkerungsentwicklung[2]
Nach UN-Prognosen könnte Chinas Einwohnerzahl im Extremfall bis zum Jahrhundertende unter 500 Mio. sinken. Schon 2022 lag die Geburtenziffer nur noch bei rekordniedrigen 1,16 Kindern. Aus sozioökonomischen Gründen wird es schwierig, diese Ziffer zu erhöhen, während die Lebenserwartung immer weiter steigen dürfte. Der daraus folgende Mangel an Menschen im erwerbsfähigen Alter wird die chinesische Wirtschaftskraft maßgeblich beeinträchtigen. Laut Schätzung wird das Output-Wachstum in den 2020er Jahren sinken und nach 2030 sogar negativ. Selbst im optimistischen Fall eines künftig späteren Renteneintritts mit erst 65 Jahren kommen erhebliche Versorgungslasten auf Chinas Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu. Zumal Einwanderung im politischen China bisher kaum ein Thema darstellt. Die Volksrepublik dürfte daher für Deutschlands Beschaffung, Produktion und Absatz von Jahr zu Jahr unattraktiver werden.
Rettungschance „Chipindustrie“ für Taiwan?[3]
Schon vor Donald Trump und Xi Jinping gab es erhebliche Konflikte um Taiwan, das sich seit 1987 von einer Diktatur zu einer pluralistischen Demokratie gewandelt hat. Dennoch gelang jahrzehntelang der Drahtseilakt einer offiziellen Ein-China-Politik, die faktisch zwei Systeme zulässt. Zum Status-quo-Erhalt trug die global integrierte Chipindustrie maßgeblich bei. Hier hängt jeder von jedem ab, wie nicht nur der Beitrag im Wirtschaftsdienst vertieft.[4] Speziell China ist noch jahrelang von ausländischen Zulieferern und Produzenten abhängig, wenn es um die weltweit modernsten Chips geht. Dennoch sollte die deutsche Wirtschaft auf eine Taiwan-Invasion vorbereitet sein: Härteste Wirtschaftssanktionen der USA, denen sich Deutschland kaum entziehen könnte, würden Beschaffung aus bzw. Produktion und Absatz in China massiv einschränken. Nur deutsche Großkonzerne wie VW, BMW, Mercedes und BASF hätten eine Chance, von der Bundesregierung als „too big to fail“ gerettet zu werden.
Renminbi-Aufstieg[5]
Chinas Währung spielte bisher international eine völlig untergeordnete Rolle: Die Volksrepublik schränkte den Kapitalverkehr stark ein, um die Finanzströme besser kontrollieren und stabilisieren zu können. Dieser Zielkonflikt dürfte sich künftig wegen des E-Yuans und Beijings Zahlungsverkehrsinitiativen CIPS und mCBDC abschwächen. Mit dem E-Yuan sinkt die Bedeutung privater Kryptowährungen, Zahlungsdienstleister und natürlich des Bargelds in und jenseits Chinas. CIPS ist Chinas Reaktion auf SWIFT, das technologisch und politisch zunehmend in die Defensive gerät. Aus SWIFTs Monopol könnte ein Duopol im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr werden. Bei mCBDC experimentieren China, Hongkong, Thailand und die Vereinigten Arabischen Emirate, wie sich große Mengen digitalen Zentralbankgeldes per Blockchain zwischen Finanzdienstleistern transferieren lassen. Langfristig sollen alle G 20-Staaten mitmachen. Die Volksrepublik bestimmt also schon jetzt die technisch-organisatorischen Standards bei digitalem Zentralbankgeld und im internationalen Zahlungsverkehr maßgeblich mit. Beijing könnte einen wachsenden Teil der globalen Finanzströme lückenlos überwachen und seinerseits mächtige Sanktionswerkzeuge gegen den Westen entwickeln.
Diversifierung und Redundanzen ausbauen![6]
Drei neuere Studien, die der Wirtschaftsdienst-Artikel bespricht, zeigen: Insgesamt leidet die deutsche Wirtschaft nicht unter einem China-Klumpenrisiko. Einzelne Branchen sind jedoch zu abhängig. Jede Studie legt den Schwerpunkt anders, etwa auf Vorleistungsimporte, Wertschöpfungsexporte oder auf indirekte Verflechtungen. Die gemeinsame Botschaft lautet: China ist kein überragend wichtiger Partner für Deutschland. Sein Gewicht sollte aber in einzelnen Bereichen zugunsten anderer Märkte abnehmen. Zusammenfassend gilt daher: Die deutsche Wirtschaft ist gut beraten, Beschaffung, Produktion und Absatz weltweit stärker zu diversifizieren sowie Redundanzen aufzubauen.
Quellen:
[1] Britta Kuhn, China-Risiken stärker beachten. Zeitgespräch „Eine neue Chinastrategie?“, Wirtschaftsdienst 2023 103(3), 165-169, file:///C:/Users/Britta/Documents/Zeitschriften/Wirtschaftsdienst/2303_China_Zeitgespraech_Kuhn.pdf
[2] Literatur-Einzelnachweise für diesen Abschnitt bei Britta Kuhn, a.a.O., S. 165 f.
[3] Literatur-Einzelnachweise für diesen Abschnitt bei Britta Kuhn, a.a.O., S. 166 f.
[4] Britta Kuhn, Sichert Taiwans Chipindustrie den Frieden? WiSt (Wirtschaftswissenschaftliches Studium) 2022, 51(1), S. 36-39, https://www.beck-elibrary.de/10.15358/0340-1650-2022-1-36/sichert-taiwans-chipindustrie-den-frieden-jahrgang-51-2022-heft-1?page=1
[5] Literatur-Einzelnachweise für diesen Abschnitt bei Britta Kuhn, a.a.O., S. 167 f.
[6] Literatur-Einzelnachweise für diesen Abschnitt bei Britta Kuhn, a.a.O., S. 168.