Familie und Top-Job laut Indra Nooyi

Britta Kuhn

Die Ex-PepsiCo-Chefin reflektiert ihren interessanten Werdegang.[1] Ein Vorbild für berufstätige Mütter in Deutschland?

Erste „woman of color“ an der Spitze eines Fortune-50-Unternehmens

Die gebürtige Inderin war 2006 nicht nur die erste „Person of Color“, die einen Weltkonzern führte. Sie war bzw. ist zusätzlich eine verheiratete Mutter. Ihr Buch schildert, wie es dazu kam: Nooyi wuchs im südindischen Chennai als Brahmanin auf. Vor der offiziellen Abschaffung des indischen Kastensystems stellten Brahmanen die Gelehrten. Die Autorin wurde in diesem Geist erzogen: Bildung stellte in ihrer Familie das höchste Ziel dar und sie gab offensichtlich schon alles Kind alles, um die Erwartungen zu erfüllen. Die Kombination aus „Zugang zu den besten Bildungseinrichtungen“, offensichtlicher Intelligenz und maximalem Fleiß führten Nooyi vom Madras Christian College ihrer Heimatstadt über das Indian Institute of Management in Kolkata an die Yale School of Management. Die 1955 Geborene folgte mit ihrem Wechsel von Indien in die USA dem Rat ihr verbundener Ex-Kommilitonen und weiterer Männer, die ihre Karriere förderten. Sie betont immer wieder, dass ihr beruflicher Aufstieg in einer reinen Männerwelt stattfand, sich die Verhältnisse aber seither zugunsten von Frauen verändert hätten. Ausführlich schildert sie jede ihrer zahlreichen beruflichen Stationen, u.a. bei der Boston Consulting Group (BCG), Motorola und Asea Brown Boveri (ABB). PepsiCo-CEO blieb sie rund zwölf Jahre lang und transformierte den Konzern nach eigen Angaben nachhaltig. Diese PepsiCo-Jahre nehmen im Buch viel Raum ein.

Taugt Indra Nooyi hierzulande als Vorbild für berufstätige Mütter?

Nooyi heiratete mit 25 Jahren den ebenfalls indisch-stämmigen Raj Nooyi, mit dem sie zwei Töchter hat. Unermüdlich betont sie, wie sehr ihr Mann ihre Karriere unterstützte, indem er ihr (neben weiteren Familienangehörigen und Angestellten) die Familienarbeit abnahm. Das Buch macht unmissverständlich klar: Nooyis Laufbahn bedeutete in einer traditioneller Männerwelt 100 Prozent Arbeit und null Prozent Freizeit. Entsprechend freimütig bedauert sie, wichtige Ereignisse wie die ersten Gehversuche ihrer Töchter verpasst und praktisch keinen Mutterschutz genossen zu haben. Hier dürften sich die Bedingungen im heutigen Deutschland einfacher darstellen. Was auch entfallen könnte: Nooyi war familiären Traditionen eng verbunden. Interessant lesen sich zum Beispiel ihre anfänglichen beruflichen Schwierigkeiten, im traditionellen Sari unter anderem bei BCG in den USA zu arbeiten. Das hatte nicht nur praktische Nachteile, sondern verstärkte ihr Außenseitertum. Erst später passte sich Nooyi dem westlichen „Look“ an, was dann wohl erforderlich war.

Neue Vorschläge für eine familienfreundliche Arbeitswelt?

Die (ehemalige) Top-Managerin wünscht sich, dass die Arbeitswelt mehr Gewicht auf Familie legt. Diese sei die Grundlage jeder Gesellschaft, werde aber insbesondere in den USA im beruflichen Kontext ignoriert. Daher sänke auch in den Vereinigten Staaten die Geburtenrate. Ihre konkreten Vorschläge umfassen allerdings viel Bekanntes – beispielsweise mehr Homeoffice und flexiblere Arbeitszeiten für Frauen und Männer. Die Autorin gibt auch zu, dass dieses Thema umfassend erforscht ist – allein die Umsetzung gestaltet sich eben zäh. Insgesamt ist sie aber der Meinung, dass eine Außenseiter-Karriere wie die ihre nur in den USA möglich gewesen sei. Das sollte Deutschland (und anderen Ländern) zu denken geben. Ebenso wie die Frage, warum Indien seine Top-Talente nach vollendeter Ausbildung nicht im Land halten kann. Dies erinnert an Paradoxien des deutschen Medizin-Studiums: Deutschlands Steuerzahler finanzieren den besten Abiturientinnen des Landes das teuerste aller Studienfächer, um sie anschließend scharenweise in die Schweiz auswandern zu lassen, anstatt ihren Berufsalltag in Deutschland attraktiver zu gestalten.


Quelle:

[1] Indra Nooyi, Die Lektionen eines Lebens. Was ich über Arbeit, Familie und unsere Zukunft denke. Plassen Verlag, Kulmbach 2023. Originalausgabe von 2021 (My life in full: Work, family, and our future).

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