Hannes Hoberg
Diplomarbeit von Jan Ullrich [1]
Diplom-Kaufmann Jan Ullrich erhielt zu Jahresbeginn für seine Abschlussarbeit exklusiv die Möglichkeit, sechzehn hochrangigen Angestellten im Bereich Human Resources des Airbus-Konzerns zum Thema „Work-Life-Balance“ zu interviewen. Airbus ist mit rund 70.000 Mitarbeitern einer der bedeutendsten Arbeitsgeber in Europa und neben dem US-amerikanischen Unternehmen Boeing der größte Hersteller für Passagierflugzeuge weltweit[2].
Die Bedeutung des Themas „Work-Life-Balance“ innerhalb der fachlichen Diskussion stieg während der letzten zehn Jahre erheblich an. Gemäß einer 2007 durchgeführten Studie der Unternehmensberatung Kienbaum halten etwa 50 Prozent der befragten Personalverantwortlichen das Thema für wichtig oder sogar für sehr wichtig.[3] Ebenso ordnen über zwei Drittel der von Ullrich interviewten Airbus-Mitarbeiter dem Thema eine hohe oder sehr hohe Priorität zu.
Woher rührt dieser Wandel? Ullrichs Experten nennen im Wesentlichen drei Punkte: die zunehmende Globalisierung, ein zunehmend dereguliertes Arbeitsrecht und ein demographisches Problem. Hochqualifizierte junge Arbeitskräfte werden immer rarer, während zeitgleich die Nachfrage nach ihnen steigt. Unternehmen müssen deshalb Mittel und Wege finden, diese Mitarbeiter an sich zu binden. Airbus hat zu diesem Zweck sogar eine eigene Arbeitsgruppe gegründet.
Um für eine Verbesserung der Work-Life-Balance seiner Mitarbeiter zu sorgen, müssen zunächst die Einflussfaktoren ausgemacht werden. 75% der Befragten halten die Unterstützung durch den direkten Vorgesetzten für den entscheidendsten Aspekt. Sein Einfluss auf die Arbeitsatomsphäre und das Vertrauensverhältnis untereinander sei extrem hoch. Er habe alle Möglichkeiten, die Work-Life-Balance seiner Mitarbeiter in eine positive oder negative Richtung zu lenken. Der mit 70% am zweihäufigsten aufgeführte Einflussfaktor ist die Netto-Arbeitszeit. Die Experten betonen, dass immer mehr Arbeitsaufträge parallel bewerkstelligt werden müssten, während immer weniger Mitarbeiter einen immer höheren Profit generieren sollten. Das bedeute wachsenden Stress und führe zu einer Vernachlässigung des Privatlebens. In der Theorie wird diesbezüglich speziell der Niedriglohnsektor genannt, der zum größten Teil aus Leiharbeitern besteht. Trotz guter Geschäftslage und hervorragender Zukunftsaussichten beschäftigt Airbus seit Jahren einen hohen Anteil Leiharbeiter. In einigen Bereichen des Unternehmens liegt dieser bei bis zu 50 Prozent. [4] Leiharbeit und die damit verbundene Arbeitsplatzunsicherheit haben einen besonders negativen Einfluss auf die Work-Life-Balance. Hier besteht demnach Nachholbedarf.
Neben den arbeitstechnischen Faktoren spielen auch die persönlichen Umstände der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. Fast die Hälfte aller Interviewten benennen Kinder und Familienleben als negativen Faktor. Familienväter und –mütter gerieten häufig in Zeitnot und es sei viel mehr Flexibilität nötig, um sowohl auf der beruflichen als auch der privaten Ebene die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Seit über 25 Jahren nimmt zudem die Scheidungsrate kontinuierlich zu. Auch im Privatleben steigt häufig die Unsicherheit. Dieser Umstand wirkt sich meist direkt negativ auf die Leistungsfähigkeit im Unternehmen aus. Die Einflussmöglichkeiten von Unternehmen auf diesen Bereich sind allerdings äußerst begrenzt. Trotzdem sollten Arbeitgeber versuchen, das Gesamtbild ihrer Mitarbeiter zu erfassen, um im Zweifel positive Akzente setzen zu können.
Vielen Dank an Jan Ullrich für die Zurverfügungstellung des Materials.
Study Work-Life-Balance (Jan Ullrich)
[1] Jan Ullrich, „Drivers of Work-Life-Balance“,Diplomarbeit im Fach Personalwirtschaftslehre, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln.
[2] Wikipedia, „Airbus“, http://de.wikipedia.org/wiki/Airbus, abgerufen am 20.07.2012.
[3] Kienbaum, „Work-Life Balance im Kontext des Demographischen Wandels“, S. 5, http://www.lasa-brandenburg.de/fileadmin/user_upload/IP-dateien/kampagnen/IP20/Kienbaum_Studienergebnisse_Work_Life_Balance_im_Demographischen_Wandel.pdf, abgerufen am 25.07.2012.
[4] focus.de, „Betriebsrat beklagt hohen Anteil an Leiharbeitern“, http://www.focus.de/finanzen/news/unternehmen/airbus-betriebsrat-beklagt-hohen-anteil-an-leiharbeitern_aid_542254.html, abgerufen am 25.07.2012.