MEHR FAIRNESS FÜR ZEIT- UND LEIHARBEIT

Britta Kuhn

Verhaltensökonomische Bachelor-Thesis von Matthias Niederstebruch[1]

Befristete Arbeitnehmerüberlassung boomt, wird aber auch heftig kritisiert. Die Abschlussarbeit analysiert das Thema aus verhaltensökonomischer Sicht und stellt anhand aktueller empirischer Untersuchungen fest: Weder Stammbelegschaft noch Leiharbeiter entsprechen dem traditionellen „homo oeconomicus“. Tief verwurzelte Gerechtigkeitsvorstellungen belasten daher die Effizienz ihrer Zusammenarbeit. Qualitatives Wachstum ließe sich eher durch mehr Gleichbehandlung erreichen.

Fairness spielt am Arbeitsplatz eine große Rolle

Was jedes Kind aus eigener Erfahrung kennt, mussten Verhaltensökonomen in den letzten Jahrzehnten in zahllosen Experimenten und Befragungen wissenschaftlich nachweisen, um das herrschende ökonomische Leitbild des durchweg rational handelnden „Wirtschaftssubjekts“ zu widerlegen: Menschen sind neidisch, aber auch mitfühlend. Gute Behandlung motiviert sie zu Gegenleistungen, als ungerecht empfundene Handlungen irritieren sie. Die Thesis zeigt, dass Unternehmen durchaus bereit sind, Löhne über dem „Gleichgewichtslohn“ bezahlen. Denn höhere Löhne erzeugen bei Arbeitnehmern „reziprokes“ Verhalten, also bessere Leistungen. Lohn und Unternehmensgewinn hängen insofern positiv zusammen[2]. Unterschiedliche Arbeitsentgelte für gleiche Tätigkeiten irritieren und verunsichern dagegen nicht nur die benachteiligten Leiharbeiter, wie verschiedene Befragungen ergaben[3]. Auch die bevorzugte Stammbelegschaft hält Egalität für wichtig, wie ein Experiment anhand ihrer Gehirnaktivitäten zeigte[4].

Gesamtwirtschaftlich leiden Gesundheit und Weiterbildung

Leiharbeiter leiden nicht nur unter schlechterer Bezahlung, sondern auch unter hoher Unsicherheit und mangelnder Integration im Einsatzunternehmen. Sie sind deshalb wesentlich häufiger krank, beispielsweise im Jahr 2010 durchschnittlich 15 Tage gegenüber 11,5 Tagen bei Beschäftigten anderer Branchen, wobei allein zwei Krankheitstage auf psychischen Störungen beruhten[5]. Daneben werden sie kaum weitergebildet, was an ihrer oft nur kurzen Einsatzdauer und unklaren Zuständigkeiten liegt[6]. Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Leiharbeit für das Gesundheitssystem und den nachhaltigen Aufbau des Humankapitals seien daher negativ[7].

Leiharbeiter besser bezahlen und integrieren

Die Bundesregierung hat bereits erste Gesetze zu einer gerechteren Bezahlung von Leiharbeitern verabschiedet und übt erheblichen Druck auf die Tarifpartner aus, die Tarifdifferenzen abzubauen, wie Niederstebruch zeigt[8]. Der Autor verdeutlicht aber auch, dass diese Ansätze nicht ausreichen. Neben wesentlich besserer Bezahlung müssten Leiharbeiter viel stärker in das Einsatzunternehmen integriert werden. Hierfür schlägt er unter anderem einheitliche Arbeitskleidung und Ausweise vor. Außerdem fordert die Abschlussarbeit klare Zuständigkeiten und Mindestmengen in puncto Weiterbildung, die gesetzlich dringend zu fixieren seien[9].


Quellen:

[1] Matthias Niederstebruch, „Zeit- und Leiharbeit in Deutschland aus verhaltensökonomischer Sicht“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 23.08.2012.

[2] Armin Falk, , „Wirtschaftswissenschaftliche Experimente: Homo Oeconomicus auf dem Prüfstand“. Wirtschaftsdienst V/2011, S. 300-304, S. 302 f. Zitiert nach Matthias Niederstebruch, a.a.O., S. 4 f.

[3] Sandra Lemanski et al., „Mitarbeiterbefragung zum Vergleich von Zeit- und Stammarbeitnehmern“. Flex4Work 2010, S. 6; Thomas Grobe und Hans Dörning, „Veröffentlichungen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement der TK, Band 21. Gesundheitsreport – Auswertungen 2009“. Hamburg 2009. Beides zitiert nach Matthias Niederstebruch, a.a.O., S. 9-12.

[4] Erneut ein Experiment des Verhaltensökonoms Armin Falk. Vgl. Nico Fickinger und Karen Horn, „Das Gehirn entscheidet anders“. Faz.net vom 20.10.2007. Zitiert nach Matthias Niederstebruch, a.a.O., S. 10 f.

[5] Techniker Krankenkasse, „Gesundheitsreport 2011 – So krank ist Deutschland“, Berlin, 2011, S.28 f., http://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/346642/Datei/62390/Medienservice-Juli-2011-krankes-Deutschland.pdf (abgerufen am 15.11.2012), zitiert nach Matthias Niederstebruch, a.a.O., S. 13.

[6] Matthias Niederstebruch, a.a.O., S. 13 f. .

[7] Matthias Niederstebruch, a.a.O., S. 15.

[8] Matthias Niederstebruch, a.a.O., S. 16 f.

[9] Matthias Niederstebruch, a.a.O., S. 18 f.

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