YUNUS: MIT SOCIAL BUSINESS GEGEN ARMUT

Britta Kuhn

Charismatisch.So lässt sich die „Public Speech“ des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus am 22.4.2013 in Wiesbaden zusammenfassen. Im voll besetzten Schlachthof erläuterte der Begründer der Mikrokredite, was ihn antreibt, was er anders macht als herkömmliche Banken oder reine Wohltätigkeitsorganisationen, und was er der nachwachsenden Generation rät. Der Lohn für seine Visionen, sein Tun und seinen Humor: Stehende Ovationen des überwiegend jungen Publikums.

 

„Wir sind nur kurz auf diesem Planeten“

Was treibt einen Ökonomieprofessor dazu, den Hörsaal zu verlassen und den Kampf gegen die Armut aufzunehmen? „Ich stellte fest, dass die schönen Modelle nichts mit den Menschen zu tun hatten, die in Bangladesch hungerten. Ich musste etwas tun.“[1] Sein erster Kredit an eine mittellose Frau betrug 27 US-Dollar. Er erhielt den Betrag verzinst zurück, machte diese Frau glücklich und wurde dadurch selber „super-glücklich“. Also weitete er seine Geschäftsidee aus und überzeugte weitere Geldgeber von der Tauglichkeit seines Ansatzes: Alles genau umgekehrt zu machen wie etablierte Banken. Also nicht hohe Beträge an wenige reiche Männer gegen Sicherheiten in Bankpalästen zu verleihen, sondern kleine Summen an viele arme Frauen ohne Sicherheiten in deren Wohnstätte. Diese seien bis dahin Kredithaien ausgeliefert gewesen, was ihre Armut nur verschärft hätte. Inzwischen unterhält Yunus‘ Grameen Bank Filialen in mehreren Ländern. Ausfälle seien die Ausnahme. Selbst in New York betrage die Rückzahlungsquote mehr als 99 Prozent. New York? Auch hier gebe es zahllose arme Frauen, die mangels Sicherheiten keine herkömmlichen Bankkredite erhielten.

“Social Business ist besser als reine Wohltätigkeit”

Yunus arbeitet nicht profitorientiert, verschenkt aber auch nichts. „Wohltätigkeit bedeutet, dass das Geld nur einmal investiert werden kann. Ich möchte es immer und immer wieder investieren.“ Ob ein Unternehmen gewinnorientiert arbeiten und dennoch ein „Social Business“ sein könne, lautete eine Frage, die für jüngere GründerInnen ohne Vermögen existenziell ist. Hier wich der Friedensnobelpreisträger aus: Er habe kein Problem mit gewinnorientierten Unternehmen, die Gutes täten. So unterhielte er Joint Ventures mit multinationalen Unternehmen wie Danone, BASF und Adidas. Diese Gemeinschaftsunternehmen dürften aber keine Gewinne erzielen, sondern dienten ausschließlich der Armutsbekämpfung. Adidas verkaufe zum Beispiel im Rahmen des Abkommens Turnschuhe für einen US-Dollar an Kinder in Bangladesch. Hierbei handele es sich durchaus nicht um Dumping-Preise, wie er auf kritische Nachfrage klarstellte. Tatsächlich reflektierten die Preise die Produktionskosten der Turnschuhe, nicht mehr und nicht weniger. Yunus sieht sich somit keineswegs in Konkurrenz zu etablierten Unternehmen. Es gebe genug Platz für alle. Er wolle nur die Lücke füllen, welche die normale Wirtschaft hinterlasse. Sein Ziel: Ein Prozent dieser herkömmlichen Ökonomie mit gemeinwohlorientierten Unternehmen zu erzielen.

„Der Nobelpreis öffnete Türen und Köpfe“

Armut lässt sich schon bald überwinden, davon ist Yunus überzeugt. Sein Enthusiasmus steckte derart an, dass viele Aussagen nicht öffentlich hinterfragt wurden. Yunus‘ These etwa, dass die Textilindustrie in Bangladesch gut für die dortigen Frauen und Kinder sei, rief keine Hinweise auf die oft katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Fabriken hervor. Überzeugender erschien dagegen, dass er von der Politik wenig Hilfe erwartet: „Wir dürfen nicht auf korrupte Regierungen oder gewinnorientierte Unternehmen warten. Wir müssen selbst etwas unternehmen.“ Er forderte seine ZuhörerInnen auf, kreative Ideen zu entwickeln. Geld sei dann kein Problem. Was der Friedensnobelpreis ihm bedeute? Er habe ähnliche Vorträge auch schon davor gehalten. Nur habe niemand zugehört. Der Nobelpreis dagegen öffne Türen und Köpfe. Auch für Sätze wie diese liebten ihn die TeilnehmerInnen: „Die Menschen werden nach unserem Tod fragen, was wir getan haben, nicht, wie viel Geld wir verdient haben!“ Und so stand ein junger Mann am Ende des Abends wohl nicht völlig allein, als er sagte: „Danke, Professor Yunus, dass Sie meinem Leben einen Sinn gegeben haben.“[2]


Quellen:

[1] Alle wörtlichen Zitate dieses Beitrags: Gedächtnisprotokoll und Übersetzung der Autorin.

[2] Weiterführende Informationen: Mohammad Yunus, Social Business. Von der Vision zur Tat. München 2010. Und/oder: The Grameen Creative Lab, http://www.grameencreativelab.com.

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