FLEISCHWIRTSCHAFT IN DEUTSCHLAND: VON QUANTITÄT ZU QUALITÄT

Britta Kuhn

Bachelor-Thesis von Mona Mahmoud konkretisiert Ansätze für mehr Nachhaltigkeit[1]

Die weltweite Fleischproduktion hat sich innerhalb der letzten 50 Jahre vervielfacht und massiv intensiviert. Die Abschlussarbeit verdeutlicht die damit verbundenen negativen Effekte für Umwelt, Menschen und Tiere. Sie sind nicht im Fleischpreis abgebildet, Ökonomen sprechen daher von Marktversagen. Auf Basis dieser schwierigen Ausgangssituation analysiert die Autorin freiwillige und staatliche Verbesserungsvorschläge, beispielsweise mehr regionale Netzwerke, ein transparentes Tierschutz-Label oder den vollen Mehrwertsteuersatz auf nicht-ökologisch erstellte Fleischwaren. Mit lokalen und ausländischen Initiativen zeigt sie, dass mehr Klasse statt Masse möglich wäre.

Marktversagen in der Fleischwirtschaft schadet Umwelt, Mensch und Tier

Ein Großteil der weltweiten Landwirtschaftsflächen werden für Futtermittel und Tierhaltung genutzt[2]. Die intensivierte Fleischerzeugung führte zu Überdüngung, Gewässerverschmutzung, Monokulturen, klimaschädlichen Lachgasemissionen, ausgelaugten Böden und erhöhtem Wasserverbrauch. In Deutschland essen vor allem Männer viel zu viel Fleisch, was zu Übergewicht, Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Diabetes 2 führt. Und die in Massen gehaltenen Tiere erkranken, erhalten dagegen in großer Menge Antibiotika, wodurch sich wiederum gefährliche resistente Keime ausbreiten. Die Fleischpreise reflektieren all diese negativen volkswirtschaftlichen Nebenwirkungen in keiner Weise: Sie sind in den letzten Jahrzehnten sogar deutlich gesunken[3]. Welche Möglichkeiten bestehen, um beim Angebot und/oder der Nachfrage gegenzusteuern?

Angebot: Regionale Netzwerke, passgenaue Subventionen und Steuern

Ganzheitliches Wirtschaften, das auf geschlossene Nährstoffkreisläufe ausgerichtet ist, existiert bereits in individuellen regionalen Netzwerken klein- und mittelständischer Agrarbetriebe. Sie nutzen vertikale und horizontale Synergien und erschließen für die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe zur Förderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit weitere Erwerbsquellen wie Tourismus oder Energieversorgung. Die Politik könnte darüber hinaus im Rahmen der EU-Agrarpolitik wesentlich mehr für eine nachhaltige Fleischwirtschaft tun: etwa durch das „Agrarinvestitionsförderungsprogramm AFP“ eine artgerechte Tierhaltung subventionieren oder per „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes GAK“ tier- und umweltgerechte Beihilfen gewähren. Vorgeschlagen werden schließlich Steuern, z.B. eine Futtermittelsteuer oder eine Stickstoff- bzw. Nährstoffüberschussabgabe. Mahmoud hält aber nur die Stickstoff- bzw. Nährstoffüberschussabgabe für geeignet, die negativen Effekte der weltweit intensivierten Fleischproduktion den Verursachern in Rechnung zu stellen[4].

Nachfrage: Tierschutzlabel, Nudges und volle Mehrwertsteuer

Ein staatliches Label für Fleischprodukte gibt es in Deutschland noch nicht, jedoch hat der Tierschutzbund im Jahr 2013 ein freiwilliges Siegel mit Einstiegs- und Premiumstufe eingeführt. Als „Anstupser“ (nudge) zu weniger fleischhaltiger Ernährung dient der „Veggie Day“, der sich seit 2010 wachsender Beliebtheit erfreut und für Kantinen und ähnliche Einrichtungen gilt. Schließlich könnte der ermäßigte Steuersatz auf Fleischprodukte von derzeit 7 auf die normalen 19 Prozent angehoben oder zumindest auf ökologische Fleischwaren beschränkt werden. Da die Fleischnachfrage recht stark vom Preis abhängt, würde auch diese Steuer bzw. Subventionskürzung die negativen gesamtwirtschaftlichen Effekte der Fleischproduktion reduzieren[5].

Lokale und ausländische Vorbilder

Schweden und Österreich führten eine Düngemittelsteuer ein[6]. In Großbritannien konnte sich ein freiwilliges Tierschutzlabel bereits in einigen Supermärkten durchsetzen und sogar McDonalds will dort künftig nur noch Fleisch von „Freedom Food“-zertifizierten Betrieben kaufen. Die Schweiz nutzt und fördert diverse private Label, die beiden großen Lebensmittelketten Coop und Migros gehen mit ihren Labels dabei noch über die wichtigen Programme „Regelmäßiger Auslauf im Freien RAUS“ und „Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme BTS“ hinaus[7]. Den „Veggie Day“ vermarkten inzwischen Städte wie Bremen, Magdeburg, Köln und Ingolstadt. Das belgische Gent führte den fleischfreien Tag schon 2009 ein[8].


Quellen:

[1] Mona Mahmoud, „Ansätze zu mehr Nachhaltigkeit in der deutschen Fleischwirtschaft“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 30.08.2013.
[2] Mona Mahmoud, a.a.O., S. 1.
[3] Mona Mahmoud, a.a.O., Kapitel 2.2.
[4] Mona Mahmoud, a.a.O., Kapitel 3.1.
[5] Mona Mahmoud, a.a.O., Kapitel 3.2.
[6] Mona Mahmoud, a.a.O., S. 11.
[7] Mona Mahmoud, a.a.O., S. 14.
[8] Mona Mahmoud, a.a.O., S. 16.

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