Wohin mit unerwünschten Geschenken?

Britta Kuhn

Im Nachkriegsdeutschland gab es kaum Konsumgüter. Jede materielle Gabe war willkommen. Heute herrscht in weiten Bevölkerungskreisen Überfluss an Präsenten aller Art. Aber wie damit umgehen?

Positive Intention

Besonders deutlich wird die Geschenkeflut in deutschen Mittelschicht-Familien: Sie haben nur wenige Kinder, die von Großeltern, weiteren Verwandten, Patchwork-Angehörigen und Freunden umfangreich bedacht werden. Zu ladenneuen Spielwaren, Elektronikgeräten, Büchern und Musikinstrumenten treten sogar wertvolle Erbstücke. Denn die Nachkriegsgeneration ist noch von der materiellen Not ihrer Kindheit geprägt und alle Schenkenden möchten Gutes tun.

Ethische Probleme

In seiner SZ-Kolumne „Die Gewissenfrage“ beschäftigt sich Rainer Erlinger seit langem mit moralischen Aspekten des Schenkens[1], sein Fokus gilt Erwachsenen. Darf und sollte ich zum Beispiel die gebrauchte Umstandskleidung der freundlichen Nachbarin ablehnen bzw. zurückgeben, oder belastet dies das gute Nachbarschaftsverhältnis unverhältnismäßig?[2] Sollte ich mich vielleicht sogar Schenkenden fügen, die meine im Vorfeld geäußerte Abwehrversuche ignorieren? Bei Kindergeschenken entsteht ein zusätzliches Problem: Dürfen Eltern ihrem Nachwuchs Geschenke Dritter aus pädagogischen Gründen oder aus Selbstschutz vorenthalten? Und schließlich: Wohin mit Geschenken, die aus reiner Höflichkeit angenommen, aber definitiv nicht gebraucht oder gemocht werden?

Lösungswege

Wer auf Selbstbestimmung viel Wert legt und konfliktfreudig ist, lehnt unerwünschte Geschenke konsequent ab bzw. gibt sie direkt zurück. Folgegeschenke, Lagerhaltung und Aufräumzeiten lassen spürbar nach. Dieses Verhalten reduziert jedoch langfristig auch erwünschte soziale Kontakte.

Wer Streit lieber komplett vermeidet und dafür Fremdbestimmung akzeptiert, nutzt widerwillig alle Geschenke, oder erweitert dafür zumindest Aufräumaufwand und Wohnflächen[3]. Dieser Weg erscheint aber ebenfalls extrem.

Wer deshalb Konflikte mit passionierten Schenkenden reduzieren und dennoch selbstbestimmt leben möchte, gibt nicht zurück, sondern schenkt weiter: Direkt an interessierte Verwandte und Bekannte, karitative Einrichtungen wie Kirchen, oder gemeinwohlorientierte Second-Hand-Läden wie Oxfam[4]. Denn Wohltätigkeitsorganisationen bewirken entweder mit den Verkaufserlösen viel Gutes, oder sie wissen, wo genau in Stadt oder Land materielle Not herrscht.

Fazit: Prävention statt Reparatur!

Das Weiterverschenken ist der Königsweg, kostet allerdings ebenfalls Zeit und entbindet nicht von Konflikten mit tief enttäuschten Gebern. Je besser es daher im Vorfeld gelingt, Freunden und Verwandten die eigenen (Nicht-)Bedürfnisse zu verdeutlichen, desto passender die Geschenke.

 


Quellen:

[1] Z.B. Dr. Dr. Rainer Erlinger, „Die Gewissensfrage“, Süddeutsche Zeitung Magazin, Heft 14/2014 http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41810/Die-Gewissensfrage; oder Heft 49/2013, http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41263/Die-Gewissensfrage (Zugriff: 9.9.2014).

[2] Anekdote der Verfasserin.

[3] Allein zwischen 1998 und 2013 stieg die durchschnittliche Wohnfläche pro Bundesbürger von 30 auf 45 qm, was selbstverständlich nicht nur an Geschenken lag: Vgl. Christian Fiedler, „Pro-Kopf-Wohnfläche erreicht mit 45m² neuen Höchstwert“, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), Pressemitteilung Nr. 9/2013 vom 24.7.2013, http://www.bib-demografie.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Download/Grafik_des_Monats/2013_07_pro_kopf_ wohnflaeche.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Zugriff: 9.9.2014).

[4] http://www.oxfam.de/shops (Zugriff: 9.9.2014)

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