Britta Kuhn
Blackrock verwaltete Mitte 2015 ein Vermögen von 4,7 Billionen US-Dollar bzw. 4,2 Billionen Euro. Zum Vergleich: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt erreichte 2014 nur 2,9 Billionen Euro[1]. Kann Blackrock das globale Finanzsystem ins Wanken bringen? Oder lenkt die mediale Konzentration auf Larry Fink’s Unternehmen von den viel gefährlicheren Exchange Traded Funds (ETFs) ab?
Herdentrieb durch Indexfonds
Vermögensverwalter steuern inzwischen geschätzte knapp 38 Billionen US-Dollar[2]. Häufig bilden sie mit Indexfonds die Wertentwicklung bestimmter Aktienmärkte nach. Diese vornehmlich als Exchange Traded Funds oder ETFs gehandelten Anlagen erlauben es auch Kleinanlegern, ihr Vermögen breit zu streuen. Sie können also z.B. in die Wertentwicklung des Deutschen Aktienindex DAX zu investieren, anstatt nur in die VW-Aktie. Allerdings erwerben die Käufer kein Miteigentum an den beteiligten AGs wie traditionelle Aktionäre, sondern „nur“ ein Sondervermögen der emittierenden Investmentgesellschaft[3]. Auch müssen sie Verwaltungsgebühren und Erfolgsbeteiligungen für die Fondsmanager bezahlen. Sicher auch deshalb preisen Kreditinstitute ETFs seit Jahren höchst aktiv an.
Ein Herdentrieb entsteht, wenn z.B. alle auf den DAX laufenden ETFs VW-Aktien verkaufen müssen, sobald der VW-Kurs einbricht. Oder schlimmer: Indexfonds auf den MSCI World, der die wichtigsten Aktienmärkte der Industrieländer repräsentiert, müssen massenweise US-Aktien verkaufen, sobald der US-Aktienmarkt einen Crash erleidet. Ökonomen sprechen von prozyklischem Verhalten, das Gift für die Widerstandskraft des Weltfinanzsystems darstellt. Denn durch den Massenverkauf verschärft sich der potenzielle US-Crash nur noch. Internationale Organisationen wie IWF, BIZ und FSB weisen seit Jahren auf diese systemischen Risiken hin[4]. Der Internationale Währungsfonds verdeutlichte darüber hinaus in seinem jüngsten Financial Stability Report die speziellen Risiken unterschiedlicher ETFs[5].
Blackrock im medialen Fokus
Seit Jahren konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Finanzberichterstattung jedoch auf Marktführer Blackrock und seinen Gründer Larry Fink[6]. Inzwischen zielen daneben massentaugliche Bücher wie „Blackrock – Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld“ auf eine breitere Leserschaft[7]. Der Vermögensverwalter symbolisiert die Schattenbank, also einen Finanzdienstleister ohne Banklizenz, für den die verschärften Eigenkapitalvorschriften von Basel III nicht gelten. Tatsächlich argumentierten die Vermögensverwalter erfolgreich gegenüber dem Baseler Financial Stability Board, dass sie nicht systemrelevant seien und deshalb keiner strengeren Regulierung bedürften. Obwohl also z.B. Blackrocks aktuelle Konzernbilanz diejenige von Lehman Brothers vor dem Zusammenbruch im Jahr 2008 um das Sechsfache übersteigt, gelten die Risiken als gut diversifiziert, da sie schlimmstenfalls in den einzelnen Fonds und eigentlich direkt beim Kunden lägen[8].
MSCI und Anlage-Roboter agieren ungestört
Sicher ist Blackrock Marktführer hinsichtlich fremd verwalteter Vermögen. Aber viel größere Akteure bewegen die globalen Finanzmärkte. Nur Finanzfachleute kennen z.B. Morgan Stanley Capital International, kurz MSCI. Die Firma definiert weltweit einflussreiche Aktienindizes wie den oben genannten MSCI World für Industrieländer oder den MSCI Emerging Markets. Sie entschied z.B., dass griechische Kapitalgesellschaften aufgrund der schlechten heimischen Wirtschaftslage den Industrieländer-Index verlassen mussten. Zahllose ETFs weltweit verkauften deshalb griechische Beteiligungen, was der lokalen Wirtschaft nicht half. Oder: Allein US-amerikanische Aktien repräsentieren 58% (!) des MSCI World[9]. Jede US-Hausse erstreckt sich somit in Kürze über den Globus – aber auch jede Baisse steckt sofort den Rest der Welt an.
Ein anderes, bisher wenig beachtetes Beispiel stellen automatisierte Plattformen zur Geldanlage dar. Diese „RoboAdvisors“ bieten wie Lebensmittel-Discounter ein überschaubares, standardisiertes und preiswertes Angebot, das insbesondere jüngere Anleger zunehmend schätzen. Sie müssen dabei nur wenige Fragen elektronisch beantworten, um ein Portfolio empfohlen zu bekommen. Typischerweise handelt es sie dabei um ETFs. Zwar ist der Marktanteil der Roboter noch gering – in den USA verwalten die beiden größten Portale Wealthfront und Betterment „nur“ jeweils etwas über 2,6 Mrd. US-Dollar von knapp 150.000 Anlegern[10]. Aber sie expandieren schnell und die ganz überwiegend passiv gesteuerten ETFs eigenen sich für automatisierte Empfehlungen ideal.
Fazit der Autorin
Das Kernproblem für die globale Finanzmarktstabilität sind prozyklisch wirkende Indexfonds. Werden diese weiterhin so gut verkauft, sollten entweder die Risiken für die Kunden (Vermögensverlust) deutlicher kommuniziert oder die Anforderungen für die Verwalter (mehr Eigenkapital/Selbstbehalt bzw. Zerschlagung großer Anbieter) angepasst werden.
Quellen:
[1] Blackrock, 30.6.2015, https://www.blackrock.com/corporate/en-us/about-us. Historischer €/$-Wechselkurs zum 1.7.2015: http://www.oanda.com/lang/de/currency/historical-rates/ (Beide Zugriff: 4.10.2015). BIP Deutschland: Statistisches Bundesamt, zitiert nach Globus-Grafik 10523 vom 18.9.2015.
[2] Michael Maisch, „Vermögensverwalter: Rätselhafte Größe“, Handelsblatt vom 14.-16.8.2015, S. 55.
[3] Das Sondervermögen birgt also immerhin kein Adressausfallrisiko der emittierenden Gesellschaft.
[4] Gute Zusammenfassung der von Internationalem Währungsfonds (IWF), Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und Financial Stability Board (FSB) geäußerten Risiken: Chris Flood, “IMF raises concerns about ETF systemic risks”, Financial Times vom 13.4.2011, http://www.ft.com/intl/cms/s/0/af8db55c-65dc-11e0-baee-00144feab49a.html#axzz3oKmSgutp (Zugriff 12.10.2015).
[5] IMF, Global Financial Stability Report, April 2015, ch. 3 “The Asset Management Industry and Financial Stability”, http://www.imf.org/external/pubs/ft/gfsr/2015/01/ (Zugriff 12.10.2015). Siehe v.a. Zusammenfassung der Risiken (Table 3.4., p. 119) und Risikovergleich physical – synthetic ETFs (Annex Table 3.1.1., p. 122).
[6] Z.B. Dennis Kremer, „Vermögensverwalter Blackrock: Der schwarze Riese“, Frankfurter Allgemeine Finanzen vom 10.2.2013, http://www.faz.net/aktuell/finanzen/fonds-mehr/vermoegensverwalter-blackrock-der-schwarze-riese-12057048.html (Zugriff 4.10.2015). Neueren Datums z.B. Frank Wiebe und Robert Landgraf, „Wer hat Angst vor Blackrock?“, Handelsblatt vom 13.8.2015, S. 28.
[7] Heike Buchter, „Blackrock. Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld“, Frankfurt 2015.
[8] Michael Maisch, a.a.O.
[9] Dennis Kremer, „Die Herren von Welt“, FAS 13.9.2015, S. 32.
[10] Thomas Klemm, „Würden Sie diesem Roboter Ihr Geld geben?“, FAS vom 27.9.2015, S.40