Britta Kuhn
Qualitatives Wachstum sollte in Deutschlands Schulen Vorrang haben, da immer neue Lernmaterialien die Kinder inzwischen erdrücken. Weniger wäre mehr.
Verlage und Lehrkräfte bevorzugen quantitatives Wachstum
Die Verlage Cornelsen und Klett teilen sich den Markt für Schulbücher. Sie bieten vielfältiges Unterrichtsmaterial an, das von den LehrerInnen zunehmend verpflichtend vorausgesetzt wird. Zusätzlich erhalten die Eltern noch weitere Empfehlungen. Um diese Entwicklung am Beispiel des Fachs Französisch zu verdeutlichen: Im Gymnasium Anfang der 1980er Jahre genügten der Autorin – inzwischen Mutter von drei Kindern – das von der Schule finanzierte Lehrbuch und ein Din-A4-Heft. Das Buch enthielt Texte, Grammatik, Vokabeln und Übungsaufgaben, also alles Notwendige. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Ab 2007 benötigte das älteste der drei Kinder neben dem von der Schule finanzierten Lehrbuch jedes Jahr auf Rechnung der Eltern: Ein Übungsheft (9,95 Euro), eine Grammatik (7,95 Euro), Din-A4-Heft, Vokabelheft, Schnellhefter und Ordner. Ab 2010 benötigte das mittlere Kind die genannten Materialien komplett neu, weil das Lehrbuch verändert worden war. Hinzu kamen obligatorisch ein Vokabeltrainer (5,50 Euro) und eine neuartige, v.a. umfassendere Grammatik (21,50 Euro). Stark empfohlen wurden außerdem diverse CDs. 2015 benötigte das jüngste Kind wiederum alles frisch, denn das Lehrbuch war abermals umgestellt. Zusätzlich verpflichtend: Ein Lerntagebuch (8,75 Euro). Die Lehrerin empfahl den Eltern außerdem den Kauf eines Vokabeltrainers für Computer (9,95 Euro), Klassenarbeitstrainer (9,95 Euro) und Elternheft (6,95 Euro) zwecks Unterstützung der Kinder.
Kinder sind überlastet
Die Kinder haben im 8-jährigen Gymnasium rund 10 Schulfächer. Selbst in Fächern wie Kunst gibt es inzwischen umfangreiche Begleitliteratur. Jede Lehrkraft hält verständlicher Weise das eigene Fach für ganz besonders wichtig und möchte die Kinder dafür begeistern. Die Schulbuchverlage müssen angesichts sinkender Schülerzahlen mit neuen Produkten versuchen, mehr Umsatz und Gewinn je Kind zu erwirtschaften. Aber was passiert mit den Kindern? Sie sind meist altersgemäß noch nicht perfekt organisiert und verbringen zu viel Zeit mit der Suche des richtigen Materials. Das ermüdet, frustriert und trägt mitnichten zum Lernerfolg bei. Auch fehlt in der Schule häufig das gerade benötigte Medium. Schlimm sind auch die Haltungsschäden infolge zu schwerer Schulranzen. Viele Kinder werden daher mit dem Auto zur Schule gebracht, bewegen sich also kaum noch.
Wunsch der Autorin: Einspruch der Eltern
Die Eltern sollten gemeinsam den Kauf so vieler Materialien verweigern. Leider ist die Bereitschaft dazu kaum ausgeprägt – aus Angst vor negativen Auswirkungen für das Kind oder der Scham, als Geringverdiener gebrandmarkt zu werden. Wäre die bereits angelaufene schulische Ausstattung aller Kinder mit Tablet-PCs eine Alternative? Eher nicht. Sie erzeugt noch mehr „digitale Junkies“ mit Haltungsschäden und Übergewicht, nützt aber den Interessen der Verlage und IT-Anbieter. Denn es gäbe noch häufiger das Neueste und davon möglichst viel.
Sehr interessanter Artikel. Vielen dank für die Informationen. Kenne leider das problem von meiner Nichte. Sie ist auf der Gesamtschule und macht ihr Abitur.. Sie bekommt viel auf und ist auch ziemlich lang in der Schule. Da die stunden als 1 Std. berechnet werden.
Gruß Anna
Kenne es leider zu gut, Material ist heutzutage anscheid viel wichtiger als Gefühle.
Lg Lisa