BESSER LIEFERN


Britta Kuhn

Der Online-Einkauf wächst und wächst. Leider müssen viele Güter durch Boten geliefert werden, was zunehmend Straßen verstopft und Nachbarn belästigt. Ökonomen sprechen von negativen externen Effekten. Wie könnte es langfristig besser funktionieren?

Auslaufmodell „klassische Paketzustellung“

2007 kauften im EU-Durchschnitt 30% der Bevölkerung zwischen 16 und 74 Jahren regelmäßig im Internet ein, 2015 bereits 53%. Deutschland erreichte mit 73% einen noch höheren Anteil. Besonders die junge Generation zieht den Online-Kauf zunehmend dem stationären Einzelhandel vor. Die deutsche Amazon-Niederlassung verkaufte z.B. am 14.12.2015 5,4 Millionen Produkte online. Dieses Jahr wird der US-Konzern wohl seinen Lebensmittel-Lieferdienst in den deutschen Markt bringen. Auch immer mehr Modefirmen bauen auf Online-Shops. Der Bestellung folgt also immer öfter die traditionelle Haus-Lieferung: Allein DHL beschäftigte im deutschen Weihnachtsgeschäft zusätzlich zu seinen über 100.000 Zustellern 10.000 Aushilfen[1]. Diese Männer stehen bei bekanntermaßen miserabler Bezahlung unter enormem Zeitdruck. Ihre LKWs verstopfen schon jetzt viele Straßen und die Pakete werden häufig bei Nachbarn abgegeben.

Mit zunehmendem Paketaufkommen bricht die unentgeltliche Nachbarschaftshilfe jedoch zusammen: Denn immer mehr genervte Mitbewohner nehmen keine Sendungen mehr an.

Pilotprojekte: Packstationen, Paketdrohnen und Roboter

DHL und Wettbewerber experimentieren mit Paketkästen für Ein- oder Mehrfamilienhäuser, öffentlichen Packstationen für verschiedene Lieferdienste und mit Kofferraum-Zustellung[2]. Nachteile: Die Kästen bzw. Stationen müssen bezahlt werden, benötigen viel Platz und eine hinreichende Diebstahlsicherung. Paketkästen in Mehrfamilienhäusern würden außerdem wegen unterschiedlicher Bestellmengen und -größen zu Nachbarschaftskonflikten führen.

Ebenfalls im Gespräch sind Paketdrohnen. In den USA und Deutschland liefen bereits Tests mit Arzneimitteln. Sie unterlagen jedoch strengen Vorschriften und sind aus Gründen der Verkehrssicherheit umstritten[3]. Die Lieferungen müssten aber nicht nur Verletzungen ausschließen, sondern auch bruchsicher sein und Schutz vor Diebstahl gewährleisten.

Die Sicherheitsrisiken von Drohnen für Menschen könnten selbstfahrende Roboter umgehen. Sie überwinden aber nur sehr kurze Strecken und vor allem ihre Diebstahl-Sicherung bleibt rätselhaft[4].

Verfasserin: Busse, Nachbarschaftsdienste und Depots

Für immobile Senioren fahren heute wieder vereinzelt Lebensmittel- und Backwerk-Busse durch deutsche Städte. Die Bus-Belieferung war in den 1970er Jahren weit verbreitet. Damals bedienten z.B. Bücherei- und Sparkassenbusse die Landbevölkerung zu regelmäßigen Zeiten vor Ort, da die zahlreichen jungen Menschen, aber auch Hausfrauen und Senioren kaum Autos hatten. Die Idee könnte wiederbelebt, auf Waren aller Art ausgedehnt und an die heutige Verkehrsproblematik angepasst werden: DHL, DPD, Hermes & Co. würden anstatt tagsüber nur noch früh morgens und spät abends jeden Stadtteil feinmaschig an festen Halteplätzen und -zeiten bedienen. Zu diesen Zeiten wären die allermeisten Paketempfänger verfügbar und die Straßen leer. Die negativen Externalitäten von Hauslieferungen auf Nachbarn und Straßen würden vermieden. Allerdings wären genaue Ausgabezeiten angesichts stark schwankender Liefermengen kaum einzuhalten – selbst ohne Verkehrsprobleme.

Wer weiterhin die Hauslieferung wünschte, bekäme jeden Anlieferungsversuch gesondert in Rechnung gestellt. Die Online-Kunden hätten dann ein finanzielles Interesse, entweder jederzeit zuhause sein, oder die Lieferung in ein bestimmtes Zeitfenster zu ordern – was natürlich extra zu bezahlen wäre. Sie könnten bei der Bestellung aber auch eine konkrete andere Adresse angeben, bei der die Ware zu einer bestimmten Zeit entgegengenommen würde. Die Käufer müssten sich hierbei im Vorfeld mit ihren Helfer abstimmen und Zusteller dürften die Pakete nicht mehr beliebigen Nachbarn aushändigen.

Vermutlich würde der Markt rasch dezentrale Depots hervorbringen, z.B. an Tankstellen, neben Ladengeschäften oder in leerstehenden Garagen der Nachbarschaft. Da auch diese Lagerstätten kostenpflichtig wären, könnten die „freien Mitarbeiter“ der nun offiziellen Annahmestellen angemessen entlohnt werden: Z.B. einmal monatlich nach Zahl, Größe und Verwahrdauer der Pakete. Für Sperrgut oder den Online-Großeinkauf aus dem Supermarkt würde sich langfristig vermutlich die Lieferung an zentrale Lagerhäuser durchsetzen. Denn im Gegensatz zur Selbstabholung in verschiedenen Geschäften müsste der Kunde nur noch einen Parkplatz vor dem Lager finden und höchstens einmal Schlange stehen.


Quellen:

[1] Prozentangaben: dpa-infografik GmbH, „Europas größte Online-Shopper“, Gd-10723 vom 25.12.2015; Amazon-Weihnachtsgeschäft: nab./dpa, „Statt Hermes und DHL: Amazon will Pakete selbst zustellen“, faz.net vom 7.1.2016, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/maechtige-internetriesen/amazon-will-pakete-selbst-zustellen-14001786.html (Abruf 9.1.2016); Amazon-Lebensmittel und Online-Shops: anst./dpa, „Verbraucher: Das ändert sich 2016 im Einzelhandel“, faz.net vom 21.12.2015, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/umbruch-im-einzelhandel-gewinner-koennte-2016-der-verbraucher-sein-13978429.html (Abruf 9.1.2016); DHL: Thomas Klemm, “Die Packstation im Erdgeschoss“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 13.12.2015, S. 45.

[2] Details: Stiftung Warentest, test 11/2015, S. 78; Thomas Klemm, a.a.O.

[3] Rudolf Stumberger, „Drohnen: Arzneimittelversand durch Paketdrohnen möglich“, vdi nachrichten vom 25.9.2015, http://www.vdi-nachrichten.com/Technik-Wirtschaft/Arzneimittelversand-Paketdrohnen-moeglich (Abruf 9.1.2016).

[4] Bettina Weiguny, „Skype-Erfinder: Bald kauft der Roboter für Sie ein“, faz.net vom 13.11.2015, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/skype-erfinder-ahti-heinla-bald-kauft-der-roboter-fuer-sie-ein-13900029.html (Abruf 9.1.2016).

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