OFF-GRID-SOLARSTROM FÜR ENTWICKLUNGSLÄNDER


Marcus Agthe

Off-Grid-Solarstrom bietet Entwicklungsländern große Vorteile. Davon konnte ich mich während meines Praktikums bei SolarGrid Tanzania überzeugen. Aber es gibt noch Hindernisse.

Autarke Energieversorgung ohne Netzanschluss

Eine kontinuierliche Stromversorgung stellt eine wesentliche Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes dar, die im globalen Süden häufig nicht erfüllt ist. Laut Schätzungen haben zum Beispiel im ostafrikanischen Tansania mindestens 80 Prozent der Menschen keinen Zugang zu Elektrizität[1] – und diese Quote ist im Vergleich zu anderen ostafrikanischen Ländern noch gering. Auch meine persönlichen ersten Eindrücke vom ländlichen Afrika verdeutlichten mir, wie wichtig Elektrizität ist – und wie wenig selbstverständlich: In den meisten Hütten, Shops und Ständen der Straßenverkäufer, die ich passierte, brannte das dunkle, gelb-schmutzige Licht flackernder Kerosinlampen. Dabei steht eine Energiequelle dauerhaft, kostenlos und in bester Qualität nahezu ständig zur Verfügung: Sonnenenergie. Aus diesem Grund versuchen immer mehr Social Start-Ups, Off-Grid-Solarstrom bereit zu stellen. Dabei handelt es sich um Photovoltaikanlagen, die an kein öffentliches Stromnetz angeschlossen werden, sondern per isoliertem Energiespeicher Strom erzeugen.

9 Monate Praktikum bei SolarGrid Tanzania

SolarGrid Tanzania verkauft sogenannte Solar Home Systems für den Privatgebrauch. Diese solaren Kleinanlagen bestehen nicht nur aus einem Solar-Panel und einer Batterie, sondern umfassen – abhängig vom Set – weitere Geräte: bis zu acht stromsparenden 1 Watt-LEDs, Radios, eine Ladestation für mehrere Handys, sowie Haarschneidegeräte bis hin zum Fernseher. Ihr Preis liegt zwischen 100 und 400 US-Dollar – direkt bar zu zahlen, oder wie häufig gewählt über Ratenzahlung. Standard sind mittlerweile Pay-as-you-go Systeme, bei denen der Kunde seine reguläre Rate in der Regel mobil zahlt und anschließend einen Code auf sein Handy erhält, mit dem er die Batterie für die bezahlten Tage freischaltet.

Vorteile solarer Heimsysteme

Über die Solar Home Systems erhalten Kunden in ländlichen Gebieten Zugang zu Elektrizität Dies ist im Vergleich zu Kerosinlampen vorteilhaft für Umwelt und Geldbeutel, da jeder Haushalt durchschnittlich 140 kg CO2 pro Jahr spart. Der Zugang zu fossilen Brennstoffen ist teuer und teilweise unstet, sodass sich die Solarsysteme insbesondere auf längere Sicht lohnen. Darüber hinaus ermöglichen die Solarsysteme zusätzliche Einnahme-Quellen für die Besitzer der Anlagen, z.B. durch das weit verbreitete Aufladen fremder Handys. Die bessere Beleuchtung erlaubt daneben längere Öffnungszeiten der Shops und höhere Sicherheit. Auch zu Hause kann nach Einbruch der Dunkelheit länger gearbeitet oder gelernt werden – im Durchschnitt verbringen Kunden 150 Prozent mehr Zeit mit Lernen nach der Installation der Solarsysteme[2]. Schließlich sinkt das Risiko von Augenschädigungen, Krebserkrankungen und Brandschäden deutlich. Die WHO schätzt, dass über 1,5 Millionen Menschen jedes Jahr durch die Nutzung von Kerosinlampen und den in der Folge entstehenden gesundheitlichen Schädigungen und Bränden ums Leben kommen[3].

Wesentliche Herausforderungen

Lange Transportwege bleiben ein großes Problem, denn die meisten Solar Home Systems werden in China produziert. Regionale Produktionen, die die Umweltbelastung signifikant reduzieren würden, entstehen gerade erst. Darüber hinaus gilt es, für Entsorgungs- und Recyclingstrukturen zu sorgen. Viele Off-Grid-Unternehmen müssen daneben lange Zeiträume zwischen Produkteinkauf und vollständiger Raten-Bezahlung durch den Kunden überbrücken, zumal die Rückzahlungsraten häufig nur bei ca. 60 Prozent liegen[4] und starken saisonalen Schwankungen (zum Beispiel Ernte- und Anbauphasen) unterliegen. Klare Regelungen im Umgang mit säumigen Zahlern fehlen noch. Da als Sicherheit immer nur das Produkt selbst dient, müsste es beim Kunden eingesammelt werden, was sich aufgrund der schlechten Infrastruktur und geringen Bevölkerungsdichte nur selten lohnt. Die Ausfallrisiken müssen folglich in den Preis einkalkuliert werden.

Fazit

Die zunehmende Verbreitung von Off-Grid-Solarunternehmen verbessert Klima, verfügbares Einkommen und Gesundheit der Menschen. Dem Staat werden erhebliche Lasten beim Netzausbau und der Wartung abgenommen, so dass einige Länder Off-Grid-Unternehmen zunehmend unterstützen. Verbesserungen sind jedoch bei Transportwegen, Entsorgungsstrukturen und Zahlungssicherheit notwendig. Nichtsdestotrotz ist wegen der sinkenden Herstellungskosten von Solarsystemen und ihre ständig steigende Leistungsfähigkeit zu erwarten, dass sie auf Dauer fossile Rohstoffe bei der Versorgung mit Elektrizität ablösen. Große Hoffnungen ruhen daneben auf erweiterten Anwendungsmöglichkeiten im landwirtschaftlichen Bereich, zum Beispiel bei Legebatterien oder anderen Maschinen, die eine konstante Stromversorgung benötigen.

Quellen:

[1] Weltbank, Global electrification database, „Access to electricity (% of population)“, Wert 2012 adaptiert gemäß eigener Erfahrungen, http://data.worldbank.org/indicator/EG.ELC.ACCS.ZS, zuletzt abgerufen am 3.2.2017.

[2] Off Grid Electric Tanzania, http://offgrid-electric.com/ourimpact/#impact, zuletzt abgerufen am 3.2.2017.

[3] Vereinte Nationen, Educational, Scientific and Cultural Organization, International Year of Light, http://www.light2015.org/Home/LightForDevelopment/Study-after-Sunset.html, zuletzt abgerufen am 3.2.2017.

[4] Firmeninterne Analyse. Häufig sind deutlich höhere Rückzahlungsraten bei anderen Firmen publiziert, die aber in der Regel nicht zutreffen.

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