Britta Kuhn
Lisa Strohmaiers Bachelor Thesis zeigt, was Costa Rica anders macht[1]
Das mittelamerikanische Land will bis 2021 klimaneutral sein. Wie schafft ein Entwicklungsland, wovon Deutschland weit entfernt ist?
Costa Ricas Umweltpolitik[2]
Der Name „reiche Küste“ ist Programm: In keinem anderen lateinamerikanischen Land ist der Lebensstandard vergleichbar hoch. Und doch handelt es sich um ein Entwicklungsland[3], das schon heute rund 99% des Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht. Allerdings trägt derzeit Wasserkraft mit fast 80% den Löwenanteil der erneuerbaren Energiequellen. Das macht die Versorgung stark von den Regenverhältnissen abhängig und führt zu Zielkonflikten, wenn indigene Einwohner oder Regenwald einem Staudamm weichen sollen. Solaranlagen spielen dagegen noch so gut wie keine Rolle im Energiemix, obwohl optimale klimatische Voraussetzungen dafür bestehen.
Costa Rica setzt aber nicht nur auf regenerative Energie, sondern auch auf Renaturierung. Seit der Jahrtausendwende steigt der Waldanteil des Landes[4]. Er war seit den 1950er Jahren dramatisch gesunken. Ab Mitte der 1990er Jahre verbesserte die Regierung seinen gesetzlichen Schutz. Daneben gibt es finanzielle Hilfen für die Wiederaufforstung. Bis 2030 sollen 60% der Landesfläche aus Wald bestehen. Derzeit sind es 54%. Die Thesis verschweigt aber auch hier nicht, dass längst nicht alle Maßnahmen greifen und Sekundärwälder nur ein schlechter Ersatz für Primärwälder sind.
Insofern ruht viel Hoffnung auf einem dritten umweltpolitischen Vorstoß Costa Ricas, nämlich dem weiteren Ausbau des Ökotourismus. Schon 1999 führte die Regierung ein entsprechendes Zertifikat ein. 2016 besuchten 3 Mio. Menschen Costa Rica. Bei rund 4,8 Mio. Einwohnern stellt der Fremdenverkehr somit die wichtigste Einnahmequelle des Landes dar. 30% des Territoriums genießen staatlichen, weitere rund 10% privaten Naturschutz. Biokorridore sollen die Gebiete besser vernetzen, was auch Verlierer wie z.B. (ehemalige) Fischer nach sich zieht. Verdienen diese aber als Touristenführer mehr Geld, nützt das Mensch und Natur. Und die zusätzlichen Flugbewegungen? Zumindest die CO2-Emissionen der costaricanischen Nature Air werden über Aufforstungen voll kompensiert.
Übertragbarkeit auf Deutschland?[5]
Deutschland bezieht nach erheblichen Anstrengungen im Zuge der Energiewende inzwischen 29% seines Stroms aus regenerativer Energie. Von der Energiebilanz Costa Ricas sind wir also weit entfernt. Der CO2-Ausstoß pro Einwohner ist hierzulande rund sechsmal so hoch, weil Deutschland ein Industrieland ist. Die Industrie verbraucht den zweitgrößten Anteil der gesamten Endenergie. Daneben ist der materielle Lebensstandard des Durchschnittsbewohners besonders hoch, was trotz wachsenden Umweltbewusstseins den CO2-Verbrauch erhöht[6].
Fazit
Costa Ricas umweltpolitischer Weg ist absolut nachahmenswert – aber eher in Ländern, die noch nicht hochindustrialisiert sind und ihre Natur zahlungskräftigen Touristen erschließen wollen.
Quellen:
[1] Lisa Strohmaier, „Costa Rica – Weltweiter Vorreiter in der Umweltpolitik“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 31.8.2017.
[2] Soweit nicht anders angegeben: Lisa Strohmaier, a.a.O., Kap. 3.1-3.2.
[3] Vgl. Klassifikation des IWF, z.B. in den Anhängen zum halbjährlichen World Economic Outlook.
[4] Lisa Strohmaier, a.a.O., Abb. 4, S. V.
[5] Soweit nicht anders angegeben: Lisa Strohmaier, a.a.O., Kap. 4.
[6] Die Anmerkung zum Lebensstandard stammt von Britta Kuhn: Soziale Schichten, die in den 1970er Jahren ihren Jahresurlaub zuhause oder nahe der Heimat verbrachten, fliegen nun mehrmals pro Jahr in die weite Welt. Selbst scheinbar umweltbewusstes Verhalten verschlechtert oft die Energiebilanz. Z.B. wenn Menschen, die früher mangels Geld zu Fuß gingen, nun ein E-Bike nutzen, dessen Strom aus Kohlekraftwerken stammt.