Britta Kuhn
Deutschlands Ehefrauen haben ihr Arbeitsverhalten immer noch nicht dem Scheidungsrecht angepasst, das sich vor 10 Jahren radikal änderte. Das belegt eine aktuelle Studie.[1]
Weihnachten – das Fest der Liebe?
Feiertage mit (Groß-)Familie, am besten bei Dauerregen – wer kennt sie nicht. Aber führen die Festtage auch direkt in die Scheidung? Die US-Soziologin Julie Brines stellte fest, dass im Bundesstaat Washington zwischen 2001 und 2015 im März und August die meisten Scheidungen eingereicht wurden.[2] Es dürften also noch weitere Faktoren eine Rolle spielen. Sicher aber ist Scheidung auch in Deutschland keine Ausnahme: Knapp 40% der 1991 geschlossenen Ehen waren z.B. bis 2016 geschieden. Und fast 16% der rund 162.000 Scheidungen im Jahr 2016 betrafen Partner, die schon die Silberhochzeit hinter sich hatten.[3]
Die Unterhaltsreform von 2008 betont Eigenverantwortung
In Deutschland reduzieren traditionell die Mütter ihre Arbeitszeit, um Kinder groß zu ziehen. Auch sonst verdienen Frauen immer noch signifikant weniger als Männer. Das gesamte Steuer- und Scheidungsrecht war lange darauf ausgerichtet, dass verheiratete Frauen – ob mit oder ohne Kinder – nicht erwerbstätig waren. Noch heute begünstigt z.B. das Ehegatten-Splitting kinderlose Besserverdiener und ihre geringverdienende Gattin gegenüber finanziell vergleichbaren, aber unverheirateten Paaren. Im Unterhaltsrecht trat jedoch vor 10 Jahren eine radikale Reform in Kraft. Nach der Scheidung ist nun grundsätzlich jeder für den eigenen Unterhalt zuständig. Im Wesentlichen erhalten deshalb nur noch Mütter von Kindern unter drei Jahren vollen Unterhalt für sich selbst – so wie früher unverheiratete Mütter. Ab dem dritten Geburtstag des Kindes sollen sie gegen Entgelt arbeiten. Dies gilt in der Regel auch rückwirkend für Ehen, die lange vor 2008 geschlossen und geschieden worden waren. Die Details legen Gerichte für jeden Einzelfall fest.[4]
Insgesamt war die Reform also schlecht für Hausfrauen ohne Kleinkinder. Sie hatten im alten System je nach Länge der Ehe umfassende Leistungen ihres Ex-Mannes erhalten. Die Änderung begünstigte im Gegenzug dessen Kinder aus weiteren, auch nicht-ehelichen Verbindungen. Sie konkurrieren jetzt finanziell viel weniger mit früheren Ehefrauen.
Wirtschaftstheorie: Menschen reagieren auf veränderte Anreize
Nach der Unterhaltsreform wäre es erstens rational gewesen, dass Frauen und hier vor allem Mütter ihr Arbeitsangebot ausweiten, um für den Scheidungsfall vorzusorgen. Väter hätten umgekehrt ihr Arbeitsangebot senken müssen. Die „Freizeit“ der Frauen, so der Ökonomen-Jargon für unbezahlte Familien- und Erziehungsarbeit, hätte sich teilweise von Frauen auf Männer verlagert. Zweitens hätten Ökonomen einerseits mehr Scheidungen erwartet, weil sie für männliche Versorger erschwinglicher wurden. Andererseits weniger Scheidungen, weil sie für Hausfrauen größere finanzielle Einbußen bedeuten.[5]
Realität: Männer reagierten auf veränderte Anreize, Frauen eher nicht
Tatsächlich zeigt die Studie von Bredtmann und Vonnahme mit Daten des Sozioökonomischen Panels SOEP: Frauen, die vor der Reform geheiratet hatten, weiteten ihr Arbeitsangebot nach der Reform nicht aus. Auch verlagerten sie keine „Freizeit“ auf ihre Ehemänner. Wohl aber stieg die Trennungswahrscheinlichkeit dieser Ehen signifikant im Gegensatz zu Paaren, die bereits vor der Reform unverheiratet zusammengelebt hatten.[6]
Haben sich die Zeiten geändert?
Die Studie untersucht ausschließlich Ehen, die vor 2008 geschlossen wurden. Möglicherweise sähen die Ergebnisse für Hochzeiten nach 2008 also besser aus. Allerdings haben sich traditionelle Rollenmuster in Deutschland längst noch nicht verflüchtigt, wie die (OECD 2017) zeigt.[7] Wer also nicht den Richtigen heiratet und schlecht bis gar nicht verdient, tappt durch Scheidung in die Armutsfalle. Die Versorger-Ehe jedenfalls ist mausetot.
Quellen:
[1] Julia Bredtmann und Christina Vonnahme, „Less Alimony after Divorce – Spouses’ Behavioral Response to the 2008 Alimony Reform in Germany”, in Ruhr Economic Papers #702, Juli 2017.
[2] Deborah Bach, “Is divorce seasonal? UW research shows biannual spike in divorce filings”, in UWNEWS vom 21.8.2016, http://www.washington.edu/news/2016/08/21/is-divorce-seasonal-uw-research-shows-biannual-spike-in-divorce-filings/ (Zugriff 4.12.2017).
[3] Statistisches Bundesamt, „0,6 % weniger Ehescheidungen im Jahr 2016“, Pressemitteilung Nr. 237 vom 11.07.2017, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/07/PD17_237_12631.html (Zugriff 4.12.2017).
[4] Zu den Details vgl. Julia Bredtmann und Christina Vonnahme, a.a.O., S. 7-9 und S. 32. Zwischen 2005 und 2010 gingen in Deutschland 95% der Unterhaltszahlungen an Frauen (vgl. a.a.O., S. 10).
[5] Zu den theoretischen Details von Ökonomen wie Gary Becker vgl. Julia Bredtmann und Christina Vonnahme, a.a.O., S. 9-12.
[6] Vgl. Julia Bredtmann und Christina Vonnahme, a.a.O., S. 15-20 und S. 26-31, v.a. S. 16.
[7] OECD (2017): Dare to share. Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf. Überarbeitete Ausgabe. Paris: OECD Publishing.