Britta Kuhn
In Deutschland reden alle über Einwanderung. Aber welche ökonomischen Folgen hat Migration für die Herkunftsländer? Diese Frage beantworte ich in der März-Ausgabe der Zeitschrift WISU.[1]
Schwerpunkte von „Migration Economics“
Ökonomen haben bisher vor allem untersucht, wie mobile Menschen die Arbeitsmärkte der Einwanderungsländer verändern. Empirische Studien existieren insbesondere für die USA. Dies könnte daran liegen, dass die meisten Volkswirte, die auf Englisch publizieren, an US-Fakultäten forschen. Daneben spielen theoretische Wirkungsanalysen zu den Ziel- und Herkunftsländern eine große Rolle. Sie ergänzen die klassische Außenhandelstheorie. Beide Aspekte werde ich demnächst ausführlich in der Zeitschrift WiSt (Wirtschaftswissenschaftliches Studium) erörtern.[2] Die ökonomische Literatur zu den Auswanderungseffekten konzentriert sich dagegen hauptsächlich auf hochqualifizierte Migranten und Rücküberweisungen, mit denen Emigranten ihre heimischen Familien und Freunde unterstützen. Am Rande spielen institutionelle Verbesserungen eine Rolle.
Auswanderung I: Braindrain oder Braingain am Arbeitsmarkt?
Nur eine Minderheit der Entwicklungsländer scheint von der Emigration Hochqualifizierter zu profitieren. Der Braindrain ist aber niedriger als früher angenommen. Denn einige Auswanderer kehren zurück oder begünstigen durch Direktinvestitionen bzw. intensiveren bilateralen Handel die Entwicklung ihres Herkunftslandes – Ökonomen sprechen von positiven Netzwerkexternalitäten. Daneben motiviert die Auswanderungsperspektive viele Menschen in armen Ländern dazu, verstärkt in ihr Humankapital zu investieren. Dennoch zeigen Beispiele wie der Exodus hochqualifizierter junger Arbeitskräfte aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa: Kurzfristig leiden die Herkunftsländer stark.
Auswanderung II: Wirtschaftswachstum durch Rücküberweisungen?
Rücküberweisungen spielen eine umso größere Rolle, je ärmer und fragiler ein Land ist. Sie wuchsen stärker als die offizielle Entwicklungshilfe oder Direktinvestitionen. In Mittel-, Ost- und Südosteuropa linderten sie Wachstumseinbußen der Auswanderung. Ansonsten nützten sie eher den unmittelbaren Empfängern als der Gesamtwirtschaft.
Auswanderung III: Bessere Institutionen und weltweite Armutsbekämpfung?
Institutionen und Regierungsverhalten verbessern sich durch hochqualifizierte Auswanderer und Rückkehrer. Unsicher ist, ob Emigration die weltweiten Bevölkerungsprobleme bekämpfen kann. Aber selbst Spitzenökonomen glauben, dass Migration die globale Armut wesentlich besser lindern könnte als freier Welthandel. Diese Vermutung deckt sich allerdings kaum mit den Erkenntnissen der klassischen Außenhandelstheorie: In diesem Modellrahmen ist Migration höchstens nötig, wenn Güterhandel und ersatzweise Kapitalmobilität trotz aller Liberalisierungsmaßnahmen keine Allokationseffizienz erreichen können.
Fazit: Weitere gesellschaftliche Effekte der Migration beleuchten!
Migrationsökonomen blenden bisher oft aus, dass die Freizügigkeit von Menschen gesellschaftlich facettenreicher ist als die Mobilität von Gütern. Es ist aber ein Unterschied, ob ein T-Shirt von Vietnam nach Europa exportiert wird oder ob die vietnamesische Näherin mit ihrer Familie dorthin übersiedelt. Auch die ökonomischen Folgen der weltweit explodierenden Flucht vor Hunger, Krieg und Klimawandel sollten stärker erforscht werden. Diese moderne „Völkerwanderung“ erreicht die reichen OECD-Ländern schon deshalb nicht, weil nur eine kleine Minderheit der Migranten die Schlepper bezahlen und die beschwerliche Reise riskieren kann. Schließlich verdient der illegale Menschenhandel, der vor allem Frauen und Kinder betrifft, mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit.
Quellen:
[1] Britta Kuhn, „In der Diskussion: Ökonomische Effekte der Auswanderung“. WISU (Das Wirtschaftsstudium) 3/18, S. 286-288.
[2] Geplante Titel: „Internationale Migration: Theoretische Gründe und Folgen“ sowie „Einwanderung: Empirische Effekte internationaler Migration“.