Fracking, Teil 1: Lösung aller Energieprobleme oder nur Zeitgewinn mit unabsehbaren Folgen?

Pascal Martens

Fracking ist in. Die Erschließung tieferliegender Öl- und Gasvorkommen boomt in den USA, Deutschland diskutiert noch. Worum genau geht es? Worin liegen Chancen und Risiken des Frackings für Deutschland?

Was ist Fracking eigentlich genau?

„Fracking“ bezeichnet den Vorgang des Hydraulic Fracturing. Dabei wird meist mehrere hundert Meter tief gebohrt und eine Flüssigkeit, das sogenannte Frack Fluid, in den Boden gepresst. Das Frack Fluid besteht aus Wasser, Sand und verschiedenen Chemikalien. Durch den hohen Druck presst die Flüssigkeit das Gestein auseinander, wodurch es durchlässiger für Flüssigkeiten und Gas wird. Die Methodik ist bereits seit längerem bekannt. Sie geht in die 1940er Jahre zurück und wurde erstmalig 1949 kommerziell angewandt[1].

Wo wird Fracking überall angewandt?

Aktuell geht es vor allem um die Förderung von Öl und Gas. Gefrackt wird auch noch in anderen Bereichen, allerdings mit verschiedenen Substanzen neben Wasser und Sand. So wird zum Beispiel in der Geothermie (Kraftwerke, die durch Erdwärme angetrieben werden), der Wasserfluss in der Tiefe durch Fracking ermöglicht. Auch im Bergbau fester mineralischer Ressourcen wird gefrackt. So lohnt es sich in manchen Fällen, Steinkohlegruben vorab zu entgasen. Schließlich wird auch bei der Grundwasserbohrung für Brunnen gefrackt.

Warum wird nicht, wie sonst auch, nach Öl und Gas gebohrt, sondern gefrackt?

Hier gilt es, zwischen konventionellen und unkonventionellen Gas- bzw. Ölquellen zu unterscheiden. Bei konventionellen Quellen liegt die zu fördernde Ressource in Gesteinszwischenräumen frei. Die einzelnen Zwischenräume im Gestein sind miteinander verbunden und machen etwa 20 Prozent des Volumens aus, sodass mit nur einer Bohrung nahezu die ganze „Blase“ angezapft werden kann. Hier gleicht das Gestein einem Schwamm. Bei unkonventionellen Quellen lagert die Ressource in schwach porösem Gestein und lässt sich durch eine einfache Bohrung nicht fördern. Hier sind die Gesteinszwischenräume so klein und weit voneinander entfernt, dass keine „Blase“ existiert, die man anzapfen könnte. Die Zwischenräume machen unter ein Prozent der Gesteinsmasse aus. Fracking bricht hier nun ein großes Volumen im Gestein auf, wodurch das Öl oder Gas zum Bohrloch hin strömt und mit dem Frack-Fluid abgesaugt werden kann[2].

Was genau ist das Frack Fluid?

Das Frack Fluid besteht aus Wasser, Sand und weiteren Zusätzen. Das Wasser ist die Trägerflüssigkeit, der Sand das Stützmittel. Er sorgt dafür, dass sich das gefrackte Gestein nicht sofort wieder schließen kann, sondern die Durchlässigkeit für Flüssigkeiten bzw. Gase gewährleistet ist. An Zusätzen werden unter anderem Gele (zum Sandtransport), Säuren wie Salzsäure und Borsäure (zur Auflösung der Mineralien) sowie Biozide (zur Verhinderung von Bakterienwachstum) eingesetzt. Die genaue Zusammensetzung der Chemikalien halten die Konzerne meist geheim. Jedoch ist bekannt, dass es sich um überwiegend reizende Chemikalien handelt, die krebserregend und erbgutverändernd wirken können und daher keinesfalls ins Grundwasser gelangen sollten[3]. Während bei Grundwasserbohrungen auf schädliche Zusätze verzichtet wird, muss bei Öl- und Gasbohrungen mit schädlichen Additiven gearbeitet werden, um effiziente Förderquoten zu erreichen.

Bohrung, Fracking – und dann?

Bei der Öl und Gas-Förderung wird meist zwischen 1.000-5.000 Meter vertikal in den Boden gebohrt, also durch die Grundwasserschicht hindurch. Das Bohrloch darf keine Verbindungen zum Grundwasser haben, Unfälle wären hier fatal. Nach dem vertikalen Loch folgt eine horizontale Bohrung. Nun wird das Frack Fluid in den Boden gepresst, woraufhin das schwach poröse Gestein entlang des horizontalen Bohrlochs bricht. Nach dem Aufbrechen des Gesteins wird das Frackfluid mit den darin enthaltenen Ressourcen wieder abgesaugt[4]. Jedoch lässt sich nicht das ganze Frack Fluid absaugen, da durch Adhäsionswirkungen (vgl. Wasser, das tropfenförmig an Pflanzen oder Fensterscheiben haftet) Reste des Frack Fluids im Boden bleiben.

Wo wird bereits gefrackt?

Neben den bereits genannten Einsatzfeldern Geothermie, Bergbau und Grundwasserbohrung wird bei unkonventionellen Öl- und Gasquellen sowie bei konventionellen Quellen vor allem in den USA gefrackt. Bei versiegenden konventionellen Quellen kann hier noch einmal die Förderquote erhöht werden. Die USA beziehen mittlerweile bereits 40 Prozent ihrer Gasförderung mittels Fracking aus dem Inland. In North Dakota und Montana wurde zum Beispiel zwischen 2006 und 2012 die Tagesproduktion von Null auf 500.000 Barrel Öl gesteigert[5]. Dies entspricht in etwa einem Drittel der Förderquote Libyens. Durch diese Methode sind die USA von Öl- und Gasimporten unabhängiger geworden. Sie könnten sogar selbst zum Exporteur werden, da sie massive Vorkommen besitzen. Denn durch den Schock des plötzlichen „Reichtums“ aus der eigenen Region sind die Preise für US-Gas zeitweise auf ein Drittel des europäischen Niveaus gefallen[6].

Welche Rolle spielt Fracking in Deutschland?

Auch in Deutschland wurde bereits bei konventionellen Quellen gefrackt, jedoch noch nicht so intensiv wie in den USA[7]. Deutschland selbst verfügt über 7-22 Billionen Kubikmeter schwer zugänglichen Gases, von denen etwa 10 Prozent förderbar wären[8]. Damit ließe sich der deutsche Gasbedarf für 13 Jahre decken. Dieses Gas ist in Schiefergestein gebunden. Zurzeit deckt Deutschland etwa 14 Prozent seines Energieverbrauchs durch heimische Gasvorräte ab. Ein ressourcenarmes Land wie Deutschland wäre also durch Fracking weniger auf Importe angewiesen, zumindest für einige Jahre. Im Februar 2013 gab Bundesumweltminister Peter Altmeier dem Fracking allerdings kaum eine Chance: „Die Botschaft ist, wir wollen einschränken, wir wollen es nicht ermöglichen“ [9]. Derzeit gibt es keine klaren Regelungen, einzig diejenige, dass nicht in Trinkwasserschutzgebieten gebohrt werden darf. Dies betrifft in etwa 15 Prozent der Fläche[10]. Gefrackt wurde allerdings bereits seit 1961, wenn auch nur schwach[11]. Im Moment sind jedoch nahezu alle Frackings auf deutschem Boden gestoppt, da laut öffentlicher Meinung erst mögliche Gefahren erforscht werden sollten[12].

Was sagen Deutschlands Nachbarn zum Fracking?

Polen will unbedingt das eigene Gasvorkommen abbauen, um sich von Importen und den Gaspreisen unabhängiger zu machen. Allerdings wäre das Land auf die Hilfe amerikanischer und britischer Unternehmen angewiesen, da die genaue Methodik des Frackings fast wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird. In Frankreich ist diese Methode momentan verboten, jedoch wie lange noch? Fracken alle, werden vielleicht auch die Franzosen irgendwann „aufrüsten“ müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben[13].

Was wären die Vorteile von Fracking in Deutschland?

Deutschland könnte sein Wirtschaftswachstum anregen und neue Arbeitsplätze schaffen. Als ressourcenarmes Land würde es unabhängiger von Energieimporten, könnte sogar energieintensive Unternehmen anlocken und neben dem Gas zusätzlich von höheren Steuereinnahmen profitieren. Die Energiewende könnte so finanziert werden und eine Alternative zum Atomstrom wäre auf Zeit in Form von Gaskraftwerken gefunden.

Was wären die Nachteile von Fracking in Deutschland?

Deutschland würde langfristig nicht unabhängig von Erdgas-Importen und wäre auf die technische Unterstützung ausländischer Konzerne angewiesen. Des Weiteren sind die Risiken des Frackings weitgehend unerforscht. Da das Forschungsergebnis ungewiss ist, finden sich auch nur schwer Fördergelder. So ist zum Beispiel ungeklärt, wie sich die Rückstände des Frack Fluids im Boden bewegen würden. Es könnte sein, dass es hunderte Jahre dauert oder aber schon morgen anfängt, sich seinen Weg an die Oberfläche oder gar ins Grundwasser zu bahnen[14]. Diese Gefahr ist für den Menschen so bedrohlich wie das der Endlager für Brennstäbe aus Atomkraftwerken, wenn nicht bedrohlicher. Denn der radioaktive Abfall ist immerhin noch in Tonnen verpackt, was bei Frack-Fluid Rückständen im Boden nicht gegeben ist. Zudem wissen wir nicht, was mit dem wieder abgepumpten Frack-Fluid geschieht. Wo sollte es gelagert werden? Spätestens hier zeigt sich die politische Dimension des Frackings: In Deutschland ist die Speicherung von Kohlendioxid im Boden aufgrund von Demonstrationen gescheitert[15]. In Deutschland begehrt die Bevölkerung massiv gegen Atommüll auf. Käme es also zu einem massiven Vertrauensbruch mit der Bevölkerung, wenn eine mehr oder weniger umweltschädliche Methode wie Fracking erlaubt würde? Die hierauf folgenden Demonstrationen könnten ähnlich gigantische Fehlinvestitionen hervorrufen wie die Geschichte der deutschen Kernenergie. Diese Kosten würden letztlich die Steuerzahler übernehmen.

Fazit des Autors

Der Traum von endlosem Wachstum wird durch die Endlichkeit der Ressourcen gestört. Die Menschen halten krampfartig an einem System fest, das auf Öl und Gas aufbaut. Alternativen sind vorhanden, sie erfordern allerdings ein Umdenken und könnten Machtverschiebungen verursachen. Wollen wir tatsächlich Peak Oil abwarten, also den Zeitpunkt, ab dem die Ölförderquoten rückläufig werden, bis hin zum Versiegen der Ölquellen, um dann über Alternativen nachzudenken? Oder sollten wir nicht eher unsere noch verbleibende fossile Energie und unseren Ideenreichtum auf andere, neue Wege konzentrieren? Mit welchen Mitteln und auf wessen Kosten halten wir am Öl fest und zögern den Punkt hinaus, ab dem es kein bezahlbares Öl mehr gibt? Sollte man nicht lieber jetzt umdenken, anstatt erst in 13 Jahren oder noch später? Fracking nährt die Hoffnung, es gehe immer so weiter, wir würden immer neue Quellen finden und alle Probleme könnten durch Forschung gelöst werden. Das Gegenteil ist richtig: Dass Öl und Gas mittlerweile so teuer sind, dass sich derart riskante und möglicherweise gesundheitsschädigende Eingriffe in die Natur lohnen, sollte ein Zeichen für Wandel sein, nicht für „immer weiter so“.


Quellen:

[1] Wikipedia, Hydraulic Fracturing, http://de.wikipedia.org/wiki/Hydraulic_Fracturing#cite_ref-Howard1970_10-0 (Zugriff 9.6.2013).
[2] Piotr Heller, „Mit Hochdruck“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 24. Februar 2013, Seite 61.
[3] dpa Globus, „Sollte Gas durch Fracking gefördert werden?“, 19. Oktober 2012, Hb-5279, http://www.fes-online-akademie.de/fileadmin/Inhalte/01_Themen/03_Nachhaltigkeit/Bilder/Graphiken_NH/Was_ist_Fracking_glo-005279_F_5279_.pdf (Zugriff am 10.06.2013).
[4] Piotr Heller, a.a.O.
[5] Kathrin Gotthold und Holger Zschäpitz, „USA steigen zum weltgrößten Gas Produzenten auf“, Die Welt, 12.07.2012,  http://www.welt.de/finanzen/article108276133/USA-steigen-zum-weltgroessten-Gasproduzenten-auf.html (Zugriff 9.6.2013).
[6] Dirk Asendorpf, „Im Rausch“, Zeit Online, 29.11.2012, http://www.zeit.de/2012/48/Energiemarkt-Gas-Erdoel-Fracking (Zugriff 11.06.2013).
[7] Piotr Heller, a.a.O.
[8] Piotr Heller, a.a.O.
[9] Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Altmeier gibt Fracking in Deutschland kaum Chancen“, 11.02.2013 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schiefergas-foerderung-altmaier-gibt-fracking-in-deutschland-kaum-chancen-12058980.html (Zugriff am 10.06.2012).
[10] Andreas Mihm, „Fracksausen vor dem Fracking“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.03.2013 „ http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/energiepolitik-fracksausen-vor-dem-fracking-12110966.html (Zugriff 9.6.2013).
[11] Peter Carstens, “6 Fragen zu Fracking“, GEO, http://www.geo.de/GEO/natur/oekologie/erdgas-6-fragen-zu-fracking-74451.html (Zugriff am 10.06.2012).
[12] Piotr Heller, a.a.O.
[13Thomas Hanke,  „Fracking wird auch in Frankreich gefordert“, Handelsblatt 11.01.2013, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/schiefergas-fracking-wird-auch-in-frankreich-gefordert/7618234.html (Zugriff 9.6.2013).
[14] Piotr Heller, a.a.O.
[15] Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Altmeier gibt Fracking in Deutschland kaum Chancen, a.a.O.“

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Ein Gedanke zu „Fracking, Teil 1: Lösung aller Energieprobleme oder nur Zeitgewinn mit unabsehbaren Folgen?

  1. Daniel sagt:

    Sehr verständlich, nachvollziehbar und interessant geschrieben :)..

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