EURO-RETTUNG DEMOKRATISIEREN!

Britta Kuhn

Erfrischend anders bei der Euro-Diskussion: Es gilt nicht „links“ oder „rechts“, sondern „demokratisch“ versus „undemokratisch“. So hat die Europäische Zentralbank das Ruder inzwischen fast vollständig übernommen. Wen interessiert zum Beispiel schon, dass sie gegen ihr rein geldpolitisches Mandat munter Finanzpolitik betreibt. Solange „die Märkte“ ruhig bleiben. Mindestens bis zur deutschen Bundestagswahl am 22.09.2013. Dabei wäre eine Stärkung des Verursacherprinzips und der demokratischen Kontrolle in der europäischen Wirtschaftspolitik im dringenden Interesse einer Bevölkerungsmehrheit, wie mein Beitrag in WiSt von Juni 2013 detailliert verdeutlicht[1].

Kaum Gewaltenteilung und nebulöse Kommunikation

Jeder Schüler lernt: Die westliche Demokratie beruht auf Arbeitsteilung zwischen gesetzgebender, ausführender und rechtsprechender Gewalt. In der „Rettungspolitik“ haben aber praktisch nur Exekutivorgane das Sagen, nämlich die „Troika“ aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) sowie die Staats- und Regierungschef samt ihrer Wirtschafts- und Finanzminister. Die Bevölkerung wird mit Falschaussagen zur „Alternativlosigkeit“ und zu Eurobonds zum Narren gehalten. Wer dennoch verstehen möchte, hat es schwer. Denn unverständliche Fachausdrücke, unzählige Abkürzungen und das Totschweigen brisanter Zusammenhänge wie z.B. der „Target“-Kredite zwischen den Notenbanken erschweren die Wahrheitsfindung.

Regierungshandeln ohne Parlamentsbeschluss

Die Übergangsregierungen Papademos und Monti in Griechenland und Italien wurden nicht gewählt, sondern auf massiven Druck der EU-Kommission und Deutschlands „eingesetzt“. Ökonomie-Experten mit Goldman Sachs-Historie sollten „die Märkte“ beruhigen. Die Rettungsschirme EFSF und ESM wurden „zwischenstaatlich“ verabschiedet, d.h. komplett am Europa-Parlament vorbei. Bundestag und Bundesrat nickten nur noch ab, was faktisch längst in den Märkten galt. Dass alle Abgeordneten die unter großem Zeitdruck verabschiedeten Einzelheiten und Auswirkungen dieser umfassenden Regelwerke verstanden haben, bezweifle ich.

EZB herrscht ohne politisches Mandat über Europa

Dass die EZB frei von landesspezifischen Interessen und politisch unabhängig arbeitet, glaubt wohl nicht einmal mehr die Notenbank selbst. Mario Draghi und seine Kollegen aus den Krisenländern haben das EZB-Exekutivorgan voll im Griff, im EZB-Legislativorgan hält Deutschland putzige zwei von 23 Stimmen. Immerhin hat sich im Zuge der Verhandlungen vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht herumgesprochen, dass die europäischen Währungshüter irgendwie auch in ganz großem Stil Finanzpolitik betreiben, was eigentlich Regierungsaufgabe wäre: So versprach Präsident Draghi, Staatsanleihen von Krisenländern unbegrenzt aufzukaufen. Und schon längst ermutigt die EZB Kreditinstitute indirekt, selber Staatsanleihen zu kaufen: Denn sie stellt ihnen unbegrenzte Liquidität zu Niedrigstzinsen bereit, während die wesentlich höher rentierlichen Staatsanleihen aus Krisenländern der Eurozone schon allein deshalb relativ günstig sind, als die Banken sie nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen. Hierfür sorgen nämlich die viel zu laxen Baseler Eigenkapital-Vorschriften, ein wunderbares Beispiel erfolgreicher Lobbyarbeit der Finanzdienstleistungsindustrie.

Als Rechtfertigung der EZB-Finanzpolitik dienen nicht etwa die Europäischen Verträge, sondern der angeblich „dysfunktionale“ geldpolitische Transmissionsmechanismus in Verbindung mit völlig unbegründeten „Reversibilitätsängsten“. Vulgo: Die Märkte hätten gänzlich irrationale Ängste vor einem Zerfall der Währungsunion, diese Ängste gelte es zu bekämpfen. Denn der Euro sei schließlich für die Ewigkeit gemacht. Ein Schelm, wer hier an andere „zeitlose“ Währungsverbünde wie etwa das Bretton-Woods-System (1944-1973) denkt!

Gibt es Hoffnung?

Nein und ja. Auch die geplante Europäische Bankenaufsicht wird mit undemokratischen Abstimmungsregeln arbeiten, so viel ist klar. Den nächsten Integrationsschritt hat die Bundesregierung jedoch auf Herbst 2013 geschoben, will sie doch den deutschen Steuerzahler bzw. Bankkunden nicht im Wahlkampf mit weitreichenden Integrationsplänen zum kritischen Denken ermuntern. Allerdings formiert sich breiter Widerstand in Intellektuellen-Kreisen. Er reicht von konservativen Vertretern bis tief ins linke politische Lager hinein. Das macht Mut. Die Vorschläge unterscheiden sich allerdings erheblich im Detail. Von einer „Rückkehr zur D-Mark“ bis zu den „Vereinigten Staaten von Europa“, also einer demokratisch vollständig legitimierten Transferunion, ist alles im Programm.

Meine Vorschläge: Erpressung bekämpfen, Demokratie stärken!

Aus ökonomischer Sicht wäre zunächst das Verursacherprinzip durch strenge Eigenkapitalvorschriften zu stärken, die auch für Schattenbanken gelten müssten. Dazu gehören alle Unternehmen ohne formale Banklizenz, die aber faktisch Bankgeschäfte betreiben. Admati und Hellwig schlagen hierbei 20-30 Prozent eigene Mittel bezogen auf die komplette Bilanzsumme vor. Davon sei z.B. die Deutsche Bank mit rund 2,5 Prozent weit entfernt[2]. Um das Erpressungspotenzial der Finanzindustrie auf die Politik noch weiter zu verringern, wären m.E. Bankenzerschlagungen und die Beteiligung vermögender Bankkunden an Bankenpleiten wie im Falle Zyperns hilfreich. Statt einer Umlage auf Steuerzahler und künftige Generationen bzw. auf (vornehmlich ökonomisch ungebildete Klein-) Sparer per Inflation.

Aus politischer Sicht könnten Volksentscheide, mehr Entscheidungszeit für Parlamentarier, eine strikte Überwachung und Berichterstattung der politischen Verbändearbeit und überhaupt eine lebendige politische Streitkultur weitreichende wirtschaftspolitische Entscheidungen aus dem Hinterzimmer herausholen. Es gilt, Recht und Gesetz wieder zu beachten oder ganz offiziell zu ändern. Der herrschende politische „Pragmatismus“ jedenfalls verhöhnt uns und unsere Demokratie.

Weiterlesen: Britta Kuhn, „Das Demokratiedefizit der Euro-Rettungspolitik“, WiSt 6/2013, S. 320-324.



Quellen:

[1] Britta Kuhn, „Das Demokratiedefizit der Euro-Rettungspolitik“, WiSt (Wirtschaftswissenschaftliches Studium) Heft 6, Juni 2013, S. 320-324.

[2] Anat Admati and Martin Hellwig, “The bankers‘ new clothes: whats wrong with banking and what to do about it.” Princeton/Oxford 2013, z.B. S. 182 und S. 176.

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