Britta Kuhn
Die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestags hat ihre Arbeit beendet[1]. Sie schlägt insbesondere einen Wohlstandsbegriff vor, der zehn Leitindikatoren und neun Warnlampen in den drei Bereichen Materieller Wohlstand, Soziales und Teilhabe sowie Ökologie umfasst. Der neue Maßstab erfasst viel besser als das Bruttoinlandsprodukt, was Wohlstand ausmacht. Seine Umsetzung dürfte aber mangels einer aggregierten, griffigen Kennzahl scheitern.
Materieller Wohlstand, Soziales und Teilhabe sowie Ökologie
Nach über zwei Jahren Arbeit bietet vor allem die Projektgruppe 2 „Entwicklung eines ganzheitlichen Wohlstands- und Fortschrittsindikators“ greifbare Ergebnisse[2]. Materieller Wohlstand soll auf den drei Leitindikatoren BIP pro Kopf und BIP-Veränderungsrate, Einkommensverteilung und Schuldenstandsquote beruhen. Als Warnlampen kommen Nettoinvestitionsquote, Vermögensverteilung und Finanzielle Nachhaltigkeit des Privatsektors hinzu.
Soziales und Teilhabe soll vier Leitindikatoren umfassen, nämlich Beschäftigungsquote, Lebenserwartung, Abschlussquote im Sekundarbereich II und Voice & Accountability, die Freiheit und demokratische Teilhabe misst. Als Warnlampen dienen hier Unterbeschäftigungsquote, Gesunde Lebensjahre und Fort- und Weiterbildungsquote.
Der Bereich Ökologie beruht auf deutschen Treibhausgasemissionen, deutscher Rate des Biodiversitätsverlusts und deutscher Stickstoffbilanz als Leitindikatoren. Warnlampen repräsentieren die drei entsprechenden internationalen Kennziffern. Schließlich gibt die bereichsunabhängige Hinweislampe Nicht-marktvermittelte Produktion Aufschluss über z.B. häusliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten.
Vor- und Nachteile des neuen Maßstabs
Die neuen Kennziffern machen zahlreiche Wohlstandsfaktoren messbar, die weit über das eindimensionale Bruttoinlandsprodukt hinausreichen. Sie alle lassen sich zudem zahlenmäßig recht einfach erfassen und reichen auch in die Zukunft. Allerdings werden sie nicht zu einem einzigen Wohlstandsindikator aggregiert, der sich in Politik und Medien einfach vermitteln ließe. Genau hier aber liegt die Robustheit des BIP! Die 17 Politiker und 17 Experten der Projektgruppe haben in deutscher Gründlichkeit ein Werk vorgelegt, das vermutlich wieder zu komplex sein dürfte, um sich außerhalb der Wissenschaft durchzusetzen. Auch sonst könnte das insgesamt 844 (!) Seiten umfassende Werk der Enquete-Kommission ein Papiertiger bleiben. Schade. Manchmal bringt weniger einfach mehr.
Quellen:
[1] Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ – Schlussbericht, Drucksache 17/13300, 03. 05. 2013, http://www.bundestag.de/bundestag/gremien/enquete/wachstum/Schlussbericht/ (Zugriff 11.11.2013).
[2] Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission, a.a.O., S. 234-273.