Britta Kuhn
Janine Reschs Bachelor-Thesis erläutert neue Wege der Säuglingsernährung[1]
Für Neugeborene stellt Muttermilch unstrittig die optimale Ernährung dar. Was aber, wenn Frauen nicht stillen wollen oder können? Bisher greifen die allermeisten auf künstliche Nahrung von Nestlé & Co. zurück. Der Online-Handel mit Muttermilch wäre besser, steckt aber noch in den Kinderschuhen.
Nestlé profitiert, das Baby nicht
Stillen ist gerade mal wieder out, die Wissenschaft bemängelt rückläufige Stillquoten in der Bundesrepublik[2]. Der große Nestlé-Skandal wegen verunreinigter Pulvermilch in Entwicklungsländern liegt Jahrzehnte zurück und Stillempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation[3] verhallen bei vielen Müttern. Neben denen, die aus gesundheitlichen Gründen auf Brustnahrung verzichten, wollen nämlich viele moderne Frauen einfach nicht. Resch zeigt in ihrer Online-Befragung, dass von 135 Müttern innerhalb der ersten sechs Monate nur 47% ausschließlich stillten und keine einzige auf Muttermilch einer anderen Frau zurückgriff. Vielmehr erhielten die Säuglinge Pulvermilch und Beikost. Frauen mit Milchüberschuss vernichteten oder zweckentfremdeten ihre Reserve überwiegend. Denn fast 70% von insgesamt 164 Befragungsteilnehmerinnen, darunter auch 8% Männer, wussten gar nicht, dass es in Deutschland eine Muttermilchbörse gibt[4].
Von der Still-Unlust profitieren Babynahrungshersteller. Nestlé etwa bietet mit „BabyNes“ ein Lifestyle-Produkt wie bei Pad- bzw. Kapselkaffeemaschinen an – Kostenpunkt rund 8,85 Euro pro Tag [5] Den Babies dagegen werden grundlegende Abwehrkräfte vorenthalten, die nur Muttermilch bietet.
Funktionsweise und Probleme von Milchbörsen
Gewinnorientierte Muttermilchbörsen liefern gesellschaftlichen Nutzen, wenn sie Angebot und Nachfrage von Muttermilch zum gesundheitlichen Wohl der Neugeborenen steigern.
In den USA entstand die erste Muttermilchbörse bereits 2009, in Deutschland im Jahr 2014. Eine Online-Plattform bringt Anbieterinnen und Nachfrage zusammen. Der Durchschnittspreis pro Liter Muttermilch erreicht 40 Euro. Herkömmlichen Milchbanken von Krankenhäusern zahlen dagegen nur eine Aufwandsentschädigung von 6-10 Euro je Liter[6]. Allerdings gelten hier auch nachvollziehbare Hygienevorschriften und wirksame Kontrollen, die bei der kommerziellen deutschen Plattform bislang fehlen. Auf einer unregulierten Muttermilchbörse besteht daher unter anderem die Gefahr, dass die Verkäuferin krank ist, Medikamente nimmt, sich ungesund ernährt, unhygienisch abpumpt, die Kühlkette bei Lagerung und Transport durchbricht, die Muttermilch streckt oder falsche Altersangaben zum Säugling macht. Weitere Gefahren liegen z.B. darin, dass Muttermilch zweckentfremdet oder als reine Einkommensquelle missbraucht wird[7].
Kontrollanforderungen für Milchbörsen
Resch schlägt zahlreiche Maßnahmen vor, um Muttermilchüberschüsse gesund an die Babies zu bringen. Beispielsweise könnten offizielle Vermittler Qualitätskontrollen und bundesweit verteilte Standorte aufbauen, Onlineplattformen und Milchbanken eng zusammenarbeiten, der Muttermilchhandel gesetzlich geregelt und Fehlverhalten sanktioniert werden. Um Missbrauch zu verhindern, wäre es denkbar, ärztliche Bescheinigungen zu verlangen[8].
Fazit und Ausblick
Der kommerzielle Onlinehandel mit Muttermilch stellt eine positive Entwicklung dar, soweit Missbrauch ausgeschlossen ist[9]. Bis dahin muss der deutsche Gesetzgeber noch viel tun und die Bekanntheit der Milchbörse deutlich steigen.
Quellen:
[1] Janine Resch, „Der Markt für Muttermilch: Bestandsaufnahme und Auswirkungen“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 21.3.2015.
[2] Universität Bonn, „Sind Stillquoten wieder rückläufig? – Anzeichen für Trendwende lösen bei Wissenschaftlern Besorgnis aus“, 31.3.2014, http://www.aktuell.uni-bonn.de/sind-stillquoten-wieder-ruecklaeufig-anzeichen-fuer-trendwende-loesen-bei-wissenschaftlern-besorgnis-aus (Zugriff 1.4.2015).
[3] Janine Resch, a.a.O., Abschnitt 2.3.1.
[4] Ausführlich Janine Resch, a.a.O., Anhang 1, v.a. Fragen 4, 6 und 24. Geschlechterverteilung: Frage 38.
[5] Janine Resch, a.a.O., S. 18 f.; Basis zwei Wochen alter Säugling und fünf tägliche Mahlzeiten.
[6] Janine Resch, a.a.O., S. 4.
[7] Janine Resch, a.a.O., S. 8 f.
[8] Janine Resch, a.a.O., Abschnitt 2.3.2.
[9] So auch Janine Resch, a.a.O., Fazit.