Britta Kuhn
Nushin Mofidian enttarnt in ihrer Bachelor Thesis einen Vorwand[1]
Die Einschränkung des Bargeldes könnte angeblich illegale Aktivitäten wie Schwarzarbeit oder Steuerhinterziehung bekämpfen. Stimmt das?
Formen der Kriminalität und ihre Bargeldnähe
Politiker, Zentralbank-Repräsentanten und prominente Volkswirte wie Kenneth Rogoff möchten Barzahlungen unter anderem einschränken, um illegale Handlungen wie Schwarzarbeit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder Terrorfinanzierung zu verringern[2]. Allerdings sänke die Schwarzarbeit ohne Bargeld nur um geschätzte 2-3%[3]. Geldwäsche funktioniert längst bargeldlos über Scheinfirmen und -konten im Internet[4]. Wie bargeldlose Steuerhinterziehung im großen Stil geht, zeigten zuletzt spektakulär die Panama-Papiere. Auch Modelle zur Steueroptimierung – wie dasjenige des US-Konzerns Apple in Irland – beruhen nicht auf Bargeldtransfers, sondern auf internationalen Steuer-Schlupflöchern[5]. Der weltweite Terrorismus schließlich finanziert sich ebenfalls unbar[6]. Insgesamt zeigt die Abschlussarbeit zudem, dass sich die (organisierte) Kriminalität längst in die digitale Welt verlagert hat[7].
Vorschlag: Regierungsverhalten verbessern…
Regierungen, die weniger Kriminalität anstreben, sollten zunächst ihr eigenes Fehlverhalten und dasjenige von großen Banken und Konzernen sanktionieren, argumentiert die Thesis[8]. Dem stimme ich zu: Wünscht zum Beispiel Deutschland weniger Schwarzarbeit, wäre zunächst der Produktionsfaktor Arbeit zu entlasten – von Steuern, Sozialabgaben und bürokratischen Markteingriffen wie den Dokumentationspflichten bei Mindestlöhnen. Geldwäsche ließe sich am ehesten im Internet bekämpfen. Steuerhinterziehung dämmten unnachgiebige Sanktionen ein[9]. Daneben verringerten internationale Verträge wie das Zinsabkommen zwischen EU und Schweiz die heute noch sehr zahlreichen Möglichkeiten zur Steuervermeidung. Die Terrorfinanzierung schließlich sänke, wenn Deutschland unter anderem weniger (Öl- und Gas-)Geschäfte mit korrupten Regierungen tätigte.
…statt Bevölkerung irreführen
Tatsächlich ermöglicht die Bargeldabschaffung vor allem negative Nominalzinsen und einen transparenten Bürger bzw. Konsumenten. Das interessiert Regierungen, das Bankwesen und Marketing-Abteilungen[10]. Es leuchtet zwar ein, warum diese Sonderinteressen ungern kommuniziert und stattdessen Ängste vor Kriminalität geschürt werden. Der bereits angeschlagenen Vertrauenswürdigkeit des Establishments beim Durchschnittsbürger dient diese Informationsstrategie jedoch nicht.
Quellen:
[1] Nushin Mofidian, „Vermindert Bargeldabschaffung die Kriminalität?“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 1.9.2016.
[2] Nushin Mofidian, a.a.O., z.B. S. 3 f. und 5. Zu Kenneth S. Rogoff vgl. ders., „The Curse of Cash“, Princeton und Oxford 2016, v.a. Kapitel 5. Rogoff befasst sich seit langem mit dem Thema Bargeldabschaffung bzw. -einschränkung. In seinem Buch bietet er umfangreiche Argumente für diesen Schritt und konkrete Umsetzungswege.
[3] So der Schattenwirtschafts-Experte Friedrich Schneider gegenüber der FAZ, vgl. Philip Plickert, Joachim Jahn, Manfred Schäfers, „Die Bargeld-Bremse sorgt für Streit“, Frankfurter Allgemeine Wirtschaft vom 6.2.2016, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/plan-der-bundesregierung-die-bargeld-bremse-sorgt-fuer-streit-14054545.html (Abruf 11.9.2016); bei Nushin Mofidian, a.a.O., S. 5.
[4] Nushin Mofidian, a.a.O., S. 7 und 13.
[5] Nushin Mofidian, a.a.O., S. 5 (Panama-Papiere) bzw. S. 5 f. (Apple).
[6] Nushin Mofidian, a.a.O., S. 13.
[7] Nushin Mofidian, a.a.O., v.a. Abschnitte 3.2 und 4.4..
[8] Nushin Mofidian, a.a.O., v.a. Kapitel 5.
[9] So auch Nushin Mofidian, a.a.O., S. 5 f.
[10] Ausführlich zu den Interessen von Banken, Regierungen, Bürgern und Straftätern: Kapitel 4. Vgl. daneben auf diesem Blog: „Bargeld abschaffen?“ vom 20.11.2015, https://besser-wachsen.com/?s=Bargeld…) (Abruf 11.9.2016).