BREXIT UND TRUMP: WIE GEHT ES WEITER?

Britta Kuhn

In der WiSt-Juniausgabe erläutere ich, wie schwierig die Brexit-Verhandlungen werden[1]. Auch „America First“ ist weiterhin mit vielen Fragezeichen verbunden.

Brexit: Scheidungsschlacht oder Exit vom Brexit?[2]

Die britische Regierung plant ein Freihandelsabkommen mit der EU[3]. Eine Teilnahme am europäischen Binnenmarkt nach Vorbild Norwegens kommt nicht in Betracht, weil die Briten die Zuwanderung aus der EU kontrollieren wollen. Selbst eine Zollunion wie mit der Türkei ist nicht geplant. Der so genannte harte Brexit wird aber schwierig: Erstens soll das Abkommen mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO vereinbar sein und auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse vermeiden. Ausgerechnet an unterschiedlichen Produktstandards scheiterte aber z.B. TTIP, das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA. Zweitens will London den vollen Zugang zum EU-Finanzplatz bewahren, das so genannte Passporting. Dies setzt aber langfristig äquivalente Regulierungen voraus. Aufgrund der unsicheren Lage planen einzelne Finanzdienstleister bereits Geschäftsverlagerungen, vor allem nach Frankfurt, Paris und New York[4]. Drittens drohen finanzielle Auseinandersetzungen über britische Restverpflichtungen[5]. Weitere Probleme betreffen z.B. den Umgang mit Schottland oder den EU-Ausländern, die bereits im Vereinigten Königreich leben. Schließlich ist der Verhandlungszeitraum unrealistisch kurz. Zum Vergleich: Die EU und Kanada benötigten allein für das Freihandelsabkommen CETA sieben Jahre – ohne nationalen Ratifizierungsprozess. Im Brexit-Fall kommen die Scheidungsmodalitäten dazu. Ohne greifbares Ergebnis aber gelten ab April 2019 die WTO-Regeln zwischen den ehemaligen Partnern, was neue Schwierigkeiten hervorriefe. Ein Rückzug vom Brexit erscheint politisch aber nur denkbar, wenn sich der Wählerwille angesichts schlechter Wirtschaftsdaten dreht.

USA: Trumptanic oder Trumponomics?

Hinsichtlich des Waren- und Dienstleistungsverkehrs verließ der US-Präsident unmittelbar nach Amtsantritt das bereits unterzeichnete Transpazifische Freihandelsabkommen TPP[6]. Die entsprechenden TTIP-Verhandlungen mit der EU lagen schon vorher auf Eis, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA will Trump neu verhandeln. Die genaue Höhe neuer Importzölle auf Waren und Dienstleistungen ist noch ungewiss, könnte aber 45% für chinesische Einfuhren erreichen[7]. Direkt betroffen wären nicht nur das BIP und viele Arbeitsplätze in Ländern wie China und Deutschland, sondern auch indirekt z.B. Maschinenbau-Unternehmen, die nach China liefern. Im schlimmsten Fall wären nach Ifo-Berechnungen 1,6 Mio. Stellen allein in Deutschland gefährdet[8]. Aber auch US-Bürger müssten wegen langfristig höherer Preise Wohlstandsverluste verkraften.

Gegen Einwanderung plant die US-Regierung eine sichere Grenze zu Mexiko. Umstritten sind die Kosten für dieses rund 3.200 km lange Bauwerk und ihre Übernahme[9]. Auch entfiele der Wirtschaftsbeitrag der rund 11 Mio. illegalen Immigranten, die geschätzte 3% zur US-Wirtschaftskraft beitragen[10]. Ein erstes Dekret, das die Einreise von Menschen aus dem Iran, Irak und weiteren Ländern verhindern sollte, auch wenn sie gleichzeitig US-Staatsangehörige waren, wurde wegen juristischer Komplikationen zurückgezogen. Das überarbeitete Dekret nimmt z.B. Menschen mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung aus. Auch gilt es nicht mehr für den Irak, wohl aber noch für den Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien[11]. Dieses zweite Dekret trat mit Einschränkungen des Obersten Gerichtshofes in Kraft. Ebenfalls ungewiss ist die künftige Besteuerung von Importen. Paul Ryan plante zunächst eine Grenzausgleichssteuer, die statt der Produktion per Körperschaftsteuer im Ursprungsland den Konsum im Bestimmungsland zur Bemessungsgrundlage nähme. Dies hätte kurzfristig US-Exporte entlastet und Importe verteuert. Weltweit angewandt wären dadurch Steuerparadiese ausgetrocknet worden. Dem Präsidenten erschien diese Reform jedoch zu kompliziert. Er plant Körperschaftsteuern von 15% statt 35% und von 10% für ausländische Gewinne US-amerikanischer Gesellschaften[12].

Schließlich wird der Dodd Frank Act aus dem Jahr 2010 nicht weiter umgesetzt. Einige Bestimmungen dieser umfassenden Finanzmarktregulierung stehen daneben auf dem Prüfstand: Z.B. die Eigenkapitalunterlegung (weniger?), die Stresstests (seltener?), die so genannte Volcker rule (Eigenhandel der Geldhäuser wieder erlauben?) oder die Definition systemrelevanter Banken (nur noch sehr große Finanzdienstleister?)[13].

Weltwirtschaftliche Zeitenwende oder Business as usual?

Was ändern der Brexit und Trumps Präsidentschaft? Selten waren die weltweiten Aussichten unklarer. Die Europäische Union könnte zerfallen, reformiert und gestärkt aus der Krise hervorgehen, oder weiter vor sich hindümpeln. Die USA könnten unter „Trumptanic“ ihre führende Rolle an China verlieren oder unter „Trumponomics“ zu alter Stärke zurückfinden. Sicher ist nur, soweit der der EU-Austritt des Vereinigten Königreiches und Trumps Präsidentschaft Realität bleiben: Beides wird weltweiten Wohlstand kosten, aber Asiens wirtschaftlichen Aufstieg keineswegs bremsen.

Quellen:

[1] Britta Kuhn, „Brexit-Verhandlungen: Der Teufel steckt im Detail“, Das wirtschaftswissenschaftliche Studium WiSt, Heft 6, Juni 2017, S. 50 ff. .

[2] Soweit nicht anders angegeben: Britta Kuhn, a.a.O., S. 50 ff.  .

[3] Prime Minister, „The United Kingdom’s exit from and new partnership with the European Union White Paper“, 02/02/2017, https://www.gov.uk/government/publications/the-united-kingdoms-exit-from-and-new-partnership-with-the-european-union-white-paper (Zugriff 17.2.2017).

[4] Oliver Wyman schätzt, dass der harte Brexit die britische Finanzindustrie bis zu 75.000 Stellen kosten könnte. Vgl. Katharina Slodczyk, „Neuer Kurs ans rettende Ufer“, Handelsblatt vom 30.1.2017, S. 30 Allerdings sind alle Verlagerungszahlen mit großer Vorsicht zu genießen, gerade auch diejenigen nach Frankfurt.

[5] Der Verhandlungsspielraum lag hierbei ursprünglich zwischen 24,5 und 72,8 Mrd. Euro. Vgl. Alex Barker, The € 60 billion Brexit bill – How do disentangle Britain from the EU budget, 02/2017, v.a. S. 3 und 10, https://www.cer.org.uk/sites/default/files/pb_barker_brexit_bill_3feb17.pdf (Zugriff 17.2.2017).

[6] Frankfurter Allgemeine, ohne Verfasser, „TPP ohne Amerika – aber mit China?“ 24.1.2017, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ttip-und-freihandel/ersetzt-china-die-usa-im-freihandelsabkommen-tpp-14740537.html (Zugriff 6.2.2017).

[7] The Economist, „Apocalypse now“, 28.1.2017, p. 58.

[8] Clemens Fuest, zitiert nach: Georg Meck, „Geht’s auch ohne Amerika? Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 29.1.2017, S. 21.

[9] Frankfurter Allgemeine, „Trumps Grenzmauer zu Mexiko wird deutlich teurer“, 10.2.2017, http://www.faz.net/aktuell/politik/trumps-praesidentschaft/grenzmauer-zu-mexiko-teurer-als-gedacht-14870700.html (Zugriff 17.2.2017).

[10] National Bureau of Economic Research, zitiert nach Moritz Koch, „Lähmende Angst“, Handelsblatt vom 23.2.2017, S. 11.

[11] Thorsten Schröder, „Der zweite Versuch“, Zeit Online vom 6.3.2017, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/donald-trump-einreisedekret-neu-weisses-haus/komplettansicht (Zugriff 11.4.2017)

[12] The Economist, „Tariff-eyeing policy“, 21.1.2017, p. 60.

[13] The Economist, „Shearing and shaving“, 11.2.2017, p. 55 f.

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