UKRAINE – DAS EWIGE TALENT?


Britta Kuhn

Eine Konferenz des Wiesbaden Institute For Law And Economics (WILE) analysierte Hintergründe und Chancen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine.

Warum ist die Ukraine viel ärmer als Polen?

Beide Länder sind in vielfacher Hinsicht vergleichbar. Dennoch entwickelte sich Polen in den letzten rund 25 Jahren wirtschaftlich wesentlich dynamischer als die Ukraine. Als Nicht-Osteuropaexpertin hatte ich dafür bisher nur zwei Erklärungen: Erstens den EU-Beitritt Polens im Jahr 2004. Ihm waren umfangreiche Direktinvestitionen westlicher Firmen vorausgegangen und er machte das Land zum größten Nettoempfänger gemeinschaftlicher Haushaltsmittel.[1] Zweitens der radikale Politikwechsel in Polen Anfang der 1990er Jahre – von korrupten „Linientreuen“ auf bisherige Oppositionsmitglieder wie Donald Tusk. Der komplette Austausch des politischen Personals war in der Ukraine unterblieben.

Konferenzantworten an der Wiesbaden Business School

Meine Kollegen Gruševaja, Telke und Wedde brachten am 21.9.2017 Experten zusammen, um die wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven der Ukraine zu beleuchten. Im Mittelpunkt stand die „Deap and Comprehensive Free Trade Area“ DCFTA. Dieses Assoziierungsabkommen mit der EU ist inzwischen voll in Kraft. Wie der erfahrene EU-Beamte Dr. Ben van Houtte erläuterte, reicht es weit über ein klassisches Freihandelsabkommen hinaus. Denn es enthält neben dem weitgehenden Zollabbau für ukrainische Warenexporte umfassende Dienstleistungsfreiheiten, die touristische EU-Einreise ohne Visum und finanzielle Hilfen. Im Gegenzug verpflichtet sich die Ukraine zur rechtlichen Übernahme zahlreicher EU-Vorgaben wie etwa Nahrungsmittelstandards, aber auch zu umfangreichen Strukturreformen. Beispielsweise liegt die aktuelle Energieeffizienz des Landes noch hinter EU-Schlusslicht Bulgarien. Würde dessen Niveau erreicht, müsste die Ukraine keine Energie mehr importieren. Ein anderes Beispiel für notwendige strukturelle Verbesserungen betrifft die schlechte Infrastruktur: So sind die Transportkosten in der Landwirtschaft laut van Houtte dreimal so hoch wie in Frankreich. Überhaupt die Landwirtschaft: Trotz einmalig fruchtbarer Böden litte sie unter extrem niedriger Produktivität. Schließlich Politik und Institutionen: Eine Regelorientierung der Abläufe in Politik und Verwaltung sei dringend erforderlich, die Oligarchen viel zu mächtig. Rund 40% der wirtschaftlichen Aktivität fände im Schattenbereich statt.

Zum Thema Korruptionsbekämpfung erläuterte Andrii Sliusar von Transparency International, wie geschockt die Bevölkerung allein darauf reagiert habe, dass die tatsächlichen Einnahmen von Regierungsbeamten inzwischen veröffentlicht werden. Auch verfolgten die Medien Prozesse gegen Würdenträger konsequent. Allerdings sei der politische Wille zur Korruptionsbekämpfung zuletzt eher zurückgegangen.

Die Hoffnung liegt in der Jugend

Weitere Erfahrungs- und Expertenberichte, aber auch die sachverständigen Diskussionsteilnehmer waren sich letztlich einig: Die Ukraine ist kein ewiges Talent. Vielmehr stehe die Jugend bereit, um ein marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem und politische Rechtsstaatlichkeit voranzubringen. Praktika in z.B. deutschen Firmen und Studienaufenthalte an deutschen Hochschulen trügen hierzu maßgeblich bei.


Quellen:

[1] Nettoempfängerposition 2015 z.B. 9,5 Mrd. € (Nr. 2 Tschechien mit 5,7 Mrd. €). Vgl. Statista 2017, „Europäische Union: Operative Haushaltssalden der Mitgliedsstaaten im EU-Haushalt im Jahr 2015 (in Milliarden Euro)“, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38139/umfrage/nettozahler-und-nettoempfaengerlaender-in-der-eu/ (Abruf 27.9.2017).

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