WAS HILFT DER TÜRKISCHEN LIRA?

 

Britta Kuhn

Faruk Onur Narins Bachelor-Thesis analysiert, wie es um die Währung steht[1]

Warum wertet die türkische Lira ab? Und welche Reaktionsmöglichkeiten hat die Türkei?

Stockendes Wachstum[2]

Bis 2016 gehörte die Türkei zu den am schnellsten wachsenden Schwellenländern. Zwar litt sie schon damals unter einer relativ hohen Arbeitslosenquote, Auslandsverschuldung, Inflation und einem signifikanten Handelsbilanzdefizit.[3] Aber ihre wirtschaftlichen Perspektiven galten als überaus positiv. Außerdem hatte die türkische Regierung jahrelang Konsum und Investition beflügelt, z.B. durch Mehrwertsteuer-Senkungen, staatlich garantierte und zinslose Kredite sowie staatliche Konjunkturprogramme. Das Geld dafür stammte auch maßgeblich aus Krediten in fremder Währung. Nach dem Putschversuch 2016 verschlechterte sich die ökonomische Lage. Im Juli 2018 erreichte die Inflation fast 16% und am 11.8.2018 kostete ein US-Dollar rekordträchtige 6,4 Lira.

Vertrauenskrise gegenüber Zentralbank und Regierung[4]

Unabhängige Zentralbanken beantworten Inflation in der Regel mit Leitzinserhöhungen. Diese dämpfen das Wachstum und dadurch auch die Preissteigerung. Daneben machen höhere Zinsen eine Währung für Anleger in der Regel attraktiver, so dass sie weniger stark abwertet. Die türkische Notenbank aber erhöhte den Leitzins nur sehr zögerlich. Daraus folgten Zweifel an ihrer politischen Unabhängigkeit, die den Kursverfall der Lira beschleunigten. Denn In- und Ausländer tauschten die türkische Währung massenweise in Euro oder US-Dollar. Die ausländischen Direktinvestitionen in der Türkei brachen ebenso ein wie die Portfolioanlagen. Für ihren Rückgang hatten schon zuvor Putsch, Ausnahmezustand und Ausbau des Präsidialsystems gesorgt. Daneben litt die Türkei unter der U.S.-Geldpolitik: Deren Zinserhöhungen führten zu starken Kapitalabflüssen aus allen Schwellenländern. Die drastische Lira-Abwertung erhöht nun aber auch die Fremdwährungsschulden.

Wirtschaftspolitische Reaktionsmöglichkeiten[5]

Um die Währung im Innen- und Außenverhältnis zu stabilisieren, also Inflation und Kursverfall zu stoppen, könnte die türkische Regierung erstens die Notwendigkeit einer Rezession akzeptieren. Zweitens könnte sie auf vertrauensbildende Aussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung setzen und die politischen Spannungen, z.B. mit der EU und den USA, verringern. Drittens käme ein Kredit des Internationalen Währungsfonds in Frage, viertens eine stärkere Annäherung an die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Langfristig dürfte die Lira-Abwertung auch das Leistungsbilanzdefizit senken. Denn neben preisgünstigeren türkischen Exporten, etwa touristischen Dienstleistungen, werden zeitlich verzögert auch Warenimporte wie Öl auf die höheren Preise ausländischer Güter reagieren.[6]
Fazit
Die Thesis hält eine Rezession für notwendig, um die türkische Volkwirtschaft und Währung zu stabilisieren.[7] Auch ich halte diese Option – neben der Annäherung an die BRICS-Staaten – für politisch am Wahrscheinlichsten.

Quellen:

[1] Faruk Onur Narin, „aktuelle Wirtschaftspolitik der Türkei und Folgen für die türkische Lira“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 6.9.2018.

[2] Soweit nicht anders angegeben im Detail: Faruk Onur Narin, a.a.O., Kap. 2.2 und 3.1.

[3] IMF Country Report Turkey, No.18/110, April 2018, z.B. S. 25 und 37.

[4] Soweit nicht anders angegeben im Detail: Faruk Onur Narin, a.a.O., Kap. 3.2 bis 3.4.

[5] Soweit nicht anders angegeben im Detail: Faruk Onur Narin, a.a.O., Kap. 4.

[6] Anmerkung Britta Kuhn.

[7] Vgl. Faruk Onur Narin, a.a.O., S. 20.

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