Britta Kuhn
Leoni Wintermantels Bachelor-Thesis analysiert, was das Eurosystem (noch) anders macht als Japans Zentralbank[1]
Kauft die Europäische Zentralbank in der nächsten Krise ETFs und REITs wie die Bank of Japan? Oder wird das Eurosystem andere Lockerungsinstrumenten bevorzugen?
Japans Vorreiter-Rolle in der unkonventionellen Geldpolitik
Zu den in Deutschland bekanntesten und umstrittensten Maßnahmen der unkonventionellen Geldpolitik gehören die Nullzins-Politik und Quantitative Easing (QE), also der Ankauf von (Staats-)Anleihen durch Zentralbanken. Das Eurosystem setzte beides vergleichsweise spät ein. Die Bank of Japan (BOJ) begann damit bereits um die Jahrtausendwende. Schon damals hatte Nippon Jahrzehnte einer lockeren Geldpolitik hinter sich. Sie diente dazu, die makroökonomischen Probleme des Landes zu lindern. Nach der Weltwirtschaftskrise von 2008 ff. verschärfte sich die Gangart, vor allem ab 2012 unter Premierminister Abe und Notenbankchef Kuroda. Die BOJ kauft seither unter anderem Exchange Trade Funds (ETFs) und Real Estate Investment Trusts (REITs).[2]
ETFs und REITs…
Die ETFs im Portfolio der japanischen Zentralbank bilden japanische Aktienindizes nach. Die Unternehmensanteile gehören ihr damit zwar nur indirekt, weil die Stimmrechte bei den Fonds bleiben. Allerdings besitzt die BOJ schon ein erhebliches Stück des japanischen ETF-Marktes. REITs stellen Immobilienvermögen dar, das in handelbare Anteile zerlegt ist. Ähnlich wie ETFs ermöglichen sie eine breite Risikodiversifizierung. Hier übt Japans Zentralbank die Stimmrechte für ihre japanischen Anteile selbst aus, darf aber höchstens 10 Prozent des heimischen Marktes halten. Sie erwirbt sowohl ETFs als auch REITs ausschließlich über den Sekundärmarkt, also nicht unmittelbar vom Emittenten.[3]
…auch für das Eurosystem?
Es ist unstrittig, dass im Eurosystem ein Wertpapierkauf am Primärmarkt verboten wäre. Anleihekäufe über den Sekundärmarkt hält der Europäische Gerichtshof dagegen unter bestimmten Bedingungen für legal. Aus seinem OMT-Urteil von Juni 2015 folgt unter anderem, dass sich der Erwerb auf die kurzfristige Renditekurve beziehen muss. Die QE-Rechtsprechung von Dezember 2018 verlangt, dass die Anleihen bis Fälligkeit gehalten werden.
ETFs und REITs haben keine festen Laufzeiten. Sie betreffen daher die gesamte Renditekurve und werden nicht fällig. Daneben darf die EZB kein Land bevorzugen. Das erscheint schon im europäischen ETF-Markt kaum umsetzbar, da die nationalen Segmente unterschiedlich entwickelt sind. REITs sind noch nicht einmal in allen Ländern des Eurosystems zugelassen.[4] Schließlich wäre nicht auszuschließen, dass die europäische Geldpolitik als Anteilseignerin von Aktienfonds und damit indirekte Eigenkapitalgeberin die Unternehmenspolitik im europäischen Währungsgebiet beeinflussen würde. Auch als indirekte Immobilieneigentümerin würde sie ihr Mandat möglicherweise weit überschreiten.[5]
Fazit
Die Thesis hält ETF- und REITs-Käufe durch das Eurosystem für unwahrscheinlich. Die rechtlichen Hürden seien höher und die ökonomische Wirksamkeit geringer als bei den bisherigen Anleihekäufen.[6]
Quellen:
[1] Leoni Wintermantel, „Japans aktuelle Geldpolitik – Blaupause für die Europäische Zentralbank in der nächsten Krise?“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 8.3.2019.
[2] Im Detail: Leoni Wintermantel, a.a.O., S. 4-6.
[3] Im Detail: Leoni Wintermantel, a.a.O., Kap. 5, S. 8 f.
[4] Im Detail: Leoni Wintermantel, a.a.O., S. 15-18.
[5] Anmerkung Kuhn.
[6] Im Detail: Leoni Wintermantel, a.a.O., S. 20 f.