Britta Kuhn
„TARGET2: Arbeitsweise, Konfliktpunkte und Reformvorschläge“ heißt ein Artikel in der April-Ausgabe der Zeitschrift WiSt.[1] Er erklärt den Streit um den Zahlungsverkehr im Eurosystem.
Was ist Target?
TARGET2, so die offizielle Abkürzung, wickelt unbare, grenzüberschreitende Euro-Zahlungen zwischen den nationalen Zentralbanken (NZBs) des Eurosystems unter Beteiligung der EZB ab. Umstritten sind vor allem die Forderungen der Deutschen Bundesbank. Sie erreichten zwischenzeitlich fast 1 Billion Euro. Drei konkrete Buchungen visualisieren und erklären im WiSt-Artikel ausführlich, wie es dazu kam. Zusammengefasst: Erstens durch den internationalen Güterverkehr, zweitens durch den internationalen Kapitalverkehr und drittens durch die umfangreichen Wertpapierkäufe des Eurosystems.[2]
Worüber streiten (vornehmlich deutsche) Top-Ökonomen?
Der WiSt-Artikel erläutert vier Konfliktlinien im Detail: (1) Als Entstehungsursachen der Target-Verbindlichkeiten sind nur die Leistungsbilanzdefizite einiger Euro-Mitglieder unstrittig. Daneben sehen die Target-Kritiker inländische Kapitalflucht und die zunehmend expansive Geldpolitik der EZB seit der Finanzkrise. Die Verteidiger machen ausländischen Kapitalabzug, dessen Ausgleich durch die EZB und den Finanzplatz Deutschland für die Ungleichgewichte verantwortlich. (2) Hinsichtlich der ökonomischen Bedeutung der Salden sprechen die Kritiker von einer Umschuldung verzinster in zinslose Überziehungskredite. Die Verteidiger lehnen diese Deutung ab. Vielmehr habe Target den Zahlungsverkehr in der Krise stabilisiert. (3) Die Ausfallrisiken der Verbindlichkeiten halten sie für wesentlich geringer als die Kritiker. (4) Diese Kritiker wiederum schlagen als Lösungswege Obergrenzen für Target-Schulden oder Vermögenswertübertragungen wie bei der US-Notenbank vor. Die Verteidiger finden Obergrenzen schädlich, das US-Modell unwirksam und empfehlen, den Zahlungsverkehr zentral über die EZB abzuwickeln, anstatt die NZBs zwischen zu schalten.[3]
Wer hat Recht?
Die Antwort hängt von jeder Begründungskategorie ab – Details bietet wiederum der WiSt-Artikel.[4] Daneben spielen wirtschaftspolitische Werturteile und Erwartungen eine Rolle. Beispiel Ausfallrisiken: Die Target-Kritiker rechnen durchaus mit Euro-Austritten, Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwillen von Schuldner-NZBs. Die Verteidiger halten das für unwahrscheinlich. Bei den Lösungsmöglichkeiten bevorzugen diese Verteidiger eine Haftung nach dem Gemeinlastprinzip, während die Kritiker eine Lastenteilung gemäß Verursacherprinzip anstreben.
[1] Britta Kuhn und Kevin Hüfner, TARGET2: Arbeitsweise, Konfliktpunkte und Reformvorschläge, WiSt (Wirtschaftswissenschaftliches Studium) 49(4), 2020, S. 30-35.
[2] ebenda, S. 30-32.
[3] ebenda, S. 32-34.
[4] ebenda, S. 34.