GEZ-BEITRÄGE ÖKONOMISCH GESEHEN

Britta Kuhn

Bisher schützte das Bundesverfassungsgericht die umfangreichen öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkangebote. Ist das noch zeitgemäß?

Warum öffentlich-rechtliche TV-, Radio- und Internet-Angebote?

Praktisch jedes Land der Welt leistet sich öffentlich-rechtliche Fernseh-, Rundfunk- und Internetangebote. Autoritären Regierungen dienen sie im Kern dazu, die Bevölkerung im gewünschten Sinne (fehl-) zu informieren und regierungskritische Stimmen zu unterdrücken. In liberalen Demokratien sollen die staatlichen Angebote vor allem Meinungsvielfalt und korrekte Sachinformation garantieren.[1] Wie weit tragen diese (wesentlichen) Argumente für Deutschland im Jahr 2021? Hier bezahlt jeder Haushalt – von wenigen „Schlupflöchern“ abgesehen – 210 Euro Zwangsabgabe pro Jahr für öffentlich-rechtliche Angebote – unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Nutzungsverhalten. Ökonomisch gesehen handelt es sich also um eine Kopfsteuer.

Ökonomische Argumente gegen öffentliche (Voll-)Programme

Öffentliche Angebote sind aus volkswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt, soweit der Markt versagt. TV-, Radio- und Internetangebote lassen sich sehr grob in Unterhaltungs- und Informationsformate unterteilen. Private Unterhaltungsprogramme gibt es in großer Zahl. Auch existiert eine erhebliche Zahlungsbereitschaft für diese Angebote – nicht nur bei jüngeren Menschen, die mit youtube, Netflix und Co. groß wurden. Wenn also Marktversagen ausscheidet, müssten die privaten Angebote demeritorische, die staatlichen dagegen meritorische Güter sein. Der Staat dürfte nach dieser Logik in die Konsumentenpräferenzen eingreifen, damit die Menschen (mehr) wertvolle = öffentlich-rechtliche statt schädlicher = privater Formate nutzen.[2] Allerdings lässt sich objektiv kaum ermitteln, ob z.B. der ZDF-„Fernsehgarten“ höherwertige Unterhaltung bereitstellt als z.B. Netflix‘s „House of Cards“. Gesichert erscheint dagegen, dass beide Angebote unterschiedliche Kundensegmente und -bedürfnisse befriedigen.

Wenn es aber nicht möglich ist, öffentlich-rechtliche Unterhaltungsformate ökonomisch sauber zu begründen, blieben vielleicht die Informationsprogramme. Ihre Finanzierung würde nur einen Bruchteil der heutigen Kopfsteuer erfordern.[3] Aber auch hier versagt der Markt nicht, wie zahlreiche private Informationssendungen zeigen – umso mehr, wenn man die umfassenden Printangebote auf globaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene mitberücksichtigt. Dies ist schon deshalb zwingend, weil die verschiedenen Informationskanäle zunehmend verschwimmen. Auch stellen öffentlich-rechtliche Nachrichtensendungen keine meritorischen Dienstleistungen dar, solange sie z.B. über Sportereignisse oder verstorbene „Volksschauspieler“ berichten.

Schließlich wirken Kopfsteuern regressiv. Das pensionierte Millionärs-Ehepaar, das die öffentlich-rechtlichen Formate intensiv nutzt[4], bezahlt dasselbe wie folgende Studentin, die ausschließlich private Angebote konsumiert: Zweier-WG im staatlichen Wohnheim, Mitbewohnerin dank Bafög von GEZ-Beiträgen freigestellt, Internet defekt und allein schon deshalb von öffentlich-rechtlichen Formaten ausgeschlossen.  

Beharrungstendenz und Public-Choice

Warum also existiert der öffentlich-rechtliche Rundfunk überhaupt noch? Erstens, weil die Ü50-Generation mit ihm aufwuchs. Bisher schützt das Bundesverfassungsgericht insofern die Gewohnheiten dieser Bevölkerungsgruppe zulasten nachfolgender Generationen. Obwohl spätestens in den 1980er Jahren der Start des Privatsenders RTL folgende ökonomische Frage aufwarf: Warum sollte der Eigentümer eines Fernsehgeräts, der ausschließlich RTL-Programme konsumieren wollte, öffentlich-rechtliche Programme finanzieren? (Damals bezahlten nur Haushalte Fernseh- und Rundfunkbeiträge, die nachweislich über ein Fernseh- und/oder Rundfunkgerät verfügten.) Zweitens stellen ältere Menschen in Deutschland die meisten Wähler, so dass sich Maßnahmen zugunsten junger Menschen für die Politik kaum lohnen. Drittens sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sehr große, reiche und mit dem Politikbetrieb eng verflochtene Organisationen, die nicht kampflos abtreten. Denkbar wäre also kurzfristig bestenfalls ein Bürgerbegehren der jüngeren Generation, das sich von rechtsradikalen Kreisen abgrenzen müsste. Denn diese Kreise haben an Pluralität und Wettbewerb wenig Interesse.


Quellen:

[1] Weitere Anbieter-Argumente mit extrem begrenzter ökonomischer Relevanz z.B. unter: Die Senderfamilie von ARD, ZDF und Deutschlandradio, „Zehn Gründe für öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, ohne Datum, https://www.rundfunkbeitrag.de/der_rundfunkbeitrag/senderfamilie/index_ger.html.

[2] Zu öffentlichen und (de-)meritorischen Gütern vgl. ausführlich N. Gregory Mankiw und Mark P. Taylor, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 7. Auflage 2018, Kapitel 10, S. 303 ff.

[3] Vgl. Ausgabenübersicht unter Die ARD, „Verwendung der 17,50 Euro Rundfunkbeitrag“, ohne Datum, https://www.ard.de/die-ard/wie-sie-beitragen/Verwendung-des-Rundfunkbeitrags-100 (Abruf 14.6.2021). Große Kostenblöcke stellen hier neben z.B. Krimis und Sportsendungen Verwaltungskosten dar, die leider kaum aufgeschlüsselt werden. Siehe hierzu und im internationalen Vergleich: Thomas Klemm und Nicole Gomes Rodrigues, So teuer ist unser Rundfunkt, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 23.5.21, S. 31.

[4] Zum stark altersabhängigen Nutzungsverhalten öffentlich-rechtlicher Angebote in (1) Deutschland, (2) im Vereinigten Königreich und (3) in Europe vgl. (1) Klemm und Gomes Rodrigues, a.a.O.; (2) The Economist vom 29.5.2021,  „Public broadcasting – The BBC has bigger problems than a misbehaving interviewer“, https://www.economist.com/britain/2021/05/29/the-bbc-has-bigger-problems-than-a-misbehaving-interviewer bzw. (3) The Economist vom 10.4.2021, „Populists are threatening Europe’s independent public broadcasters“, https://www.economist.com/europe/2021/04/08/populists-are-threatening-europes-independent-public-broadcasters (Abruf beide 14.6.2021).

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