Britta Kuhn
Vor 60 Jahren bettelarm, heute reich und innovativ: Das ist der Süden der geteilten koreanischen Halbinsel. Im aktuellen Fachbuchjournal bespreche ich drei landeskundliche Bücher.[1] Hier das Wichtigste in Kürze.
Geteilt wie früher Deutschland
Südkorea ist eine hochentwickelte Republik, Nordkorea wird vom allseits bekannten Kim Jong-un regiert. Die politischen Spannungen und das wirtschaftliche Gefälle zwischen beiden Landesteilen sind mindestens so groß wie zwischen West- und Ostdeutschland bis 1989/90. Westlicher Nachbar ist das dynamische, aber autoritär regierte China. Im Osten altert Japans Gesellschaft in Würde vor sich hin. Die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sind für Südkorea wichtige Wirtschaftspartner. Im Vergleich zu China ergab sich aber in Südkorea vieles zwangloser – etwa Geburtenrückgang und technischer Fortschritt. Und anders als in Japan drohen noch nicht Vergreisung, Stagnation und Deflation. Auch die Unterschiede zu Westeuropa sind groß: Man denke an riesige Mischkonzerne wie Samsung und Hyundai, extreme Leistungsorientierung und die noch stärkere Kommerzialisierung sämtlicher Lebensbereiche. Drei Bücher helfen dabei, das Land besser zu verstehen.
Doing Business in Korea[2]
Dieser Sammelband diverser Asienforscher*innen deckt von Management- über Politik- bis zu Kulturwissenschaften ein breites Themenspektrum ab. Teil 1 beschreibt das ökonomische, politische und kulturelle Geschäftsumfeld in Südkorea. Die wirtschaftliche Entwicklung wird z.B. in drei Phasen unterteilt: exportorientiert von den 1960ern bis 1990ern; anschließend neoliberal, d.h. wesentlich offener für ausländische Kapital- und Güterimporte; heutzutage technologisch spitze, aber auch herausgefordert durch schwerfällige Industriestrukturen und das massiv aufstrebende China. Teil 2 konzentriert sich auf Fragen rund um den Eintritt in den südkoreanischen Markt: Was ist bei Direktinvestitionen (FDI) zu beachten, wie exportiert man am besten dorthin? Wie lassen sich grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen (M&A) gestalten, was sonst können ausländische Firmen vom Gastland lernen? Der M&A-Aufsatz zeigt z.B. die bisherige Entwicklung auf, erläutert wichtige rechtliche Rahmenbedingungen und gibt Tipps, wie sich kulturelle Stolpersteine bei der Unternehmensintegration umgehen lassen. Teil 3 vertieft, was vor Ort zu tun ist: Wie funktioniert Marketing in Südkorea, wie Personalmanagement (HR)? Was erwartet Expatriates, was ausländische Start-up-Unternehmern?
Zwischen K-Pop und Kimchi[3]
Das zweite Buch bietet eine Landeskunde für jedermann. 151 Schlagworte von A wie Aberglaube bis Z wie Zivilschutz bieten einen Streifzug durch Südkoreas Gesellschaft und Kultur. Jeder Beitrag umfasst höchstens eine Textseite und wird durch ein Foto verziert. Das Buch lässt sich deshalb wie eine Illustrierte durchblättern. Entsprechend kurzweilig und abwechslungsreich gerät die Lektüre. Unter dem Stichwort „Tigerstaat“ erläutert das Autoren-Duo zum Beispiel Südkoreas wirtschaftliches Erfolgsrezept seit den 1970er Jahren: Gezielte Förderung und Regulierung von Schwerindustrie, Maschinenbau, Elektronik und Schiffsbau; Exportorientiertes Wachstum – jüngst etwa durch massive Subventionen für koreanische Kulturgüter; Oligopolistischer Wettbewerb – die 20 größten Unternehmen erwirtschaften rund 80 Prozent des BIPs. Ein Beitrag namens „Trostfrauen“ arbeitet die hierzulande wenig bekannte Geschichte koreanischer Sexsklavinnen auf. Politisch wird es im Artikel „Wiedervereinigung“: Deren geschätzte Kosten liegen bei 400 Mrd. Euro. Deshalb seien nur 35 Prozent der Südkoreaner dafür. Zumal die Kluft zwischen Nord und Süd größer wird.
Fettnäpfchenführer Korea[4]
Die fiktive deutsche Studentin Julia und der ebenso erfundene deutsche Praktikant Nico erleben zahlreiche typische Alltagssituationen, die Neuankömmlinge mit kulturellen Schwierigkeiten konfrontieren. In 46 Kapiteln geht es vom Anflug bis zur Abreise um sämtliche Fallstricke, die gerade jungen Menschen in Südkorea drohen – ob männlich oder weiblich, beruflich oder privat. In jedem Kapitel erleben Julia oder Nico zunächst etwas, das sie nicht verstehen oder falsch einordnen. Anschließend erklärt der Autor, was hier warum falsch gelaufen ist. Kästen mit reiner Sachinformationen ergänzen das jeweilige Erlebnis und seine kulturelle Einordnung. Beispiel „Gelebte Demokratie“: Nico gerät auf dem Heimweg in eine politische Demonstration, deren Symbolik er nicht versteht. Die Infobox erläutert die so genannten Kerzenscheinproteste der Jahr 2016/2017 gegen die damalige Präsidentin Park Geun-hye. Sie landete schließlich wegen Korruption im Gefängnis.[5]
Empfehlenswert sind vor allem die Informationskästen. Besonders interessant für Deutschland sind die Hinweise auf die so genannte „Jaebeols“ und auf Koreas Top-Universitäten:[6] Die industriepolitisch geförderte Firmenkonglomerate hätten in Südkorea marktbeherrschende Oligarchien begünstigt. Und eine Abiturientenquote von fast 90 Prozent habe den Differenzierungsprozess einfach nur auf die Universitäten verschoben: Deren Niveau reiche von drei „SKY-Unis“ bis zu zahlreichen Einrichtungen, deren Niveau bestenfalls einer erweiterten Oberstufe entspräche.
Weiterlesen:
[1] Britta Kuhn, Südkorea besser verstehen (Rezensionen). Fachbuchjournal, 2021, 13(4), S. 71-73, https://fachbuchjournal.partica.online/fachbuchjournal/fachbuchjournal-4-2021/flipbook/72/
[2] Fabian Jintae Froese (editor), Doing Business in Korea, Routledge, 2019.
[3] Dennis Kubek und Bielle Kim, Korea. Ein Land zwischen K-Pop und Kimchi in 151 Momentaufnahmen, Conbook Medien GmbH, 2019 (vierte komplett überarbeitete und aktualisierte Auflage).
[4] Jan-Rolf Janowski, Fettnäpfchenführer Korea. Auch ein Affe fällt mal vom Baum, Conbook Medien GmbH, 2019 (sechste komplett überarbeitete und aktualisierte Auflage).
[5] Jan-Rolf Janowski, a.a.O., Kapitel 31.
[6] Jan-Rolf Janowski, a.a.O., S. 159 (Jaebeols) und S. 221 f. (Universitäten).