Britta Kuhn
Wäre die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt ein besserer Geschäftspartner für Deutschland als die Volksrepublik China? Im aktuellen Fachbuchjournal bespreche ich drei Bücher, die Geschäftsleuten bei dieser Frage weiterhelfen.[1]
Braun Alexander, Indien Superpower[2]
Der Autor kennt Indien gut, denn seit 2014 lebt er in Mumbai. Er richtet sich an eine eher ahnungslose deutsche Leserschaft und kombiniert persönliche Eindrücke mit Sachinformationen. Voller Optimismus sieht er Indiens Zukunft, auch wenn der anstrengende Alltag (Bürokratie, Menschenmassen, Lärm und Dreck) überall in seinem Buch durchschimmert. Braun Alexanders Blick ist differenziert und weit entfernt von Stereotypen. Beispielsweise seien Slums nicht so schlimm wie hierzulande oft gedacht, Mutter Teresa dagegen verheerend für Kalkuttas Image, und zum Glück habe Gandhi nie die Regierungsgeschäfte geleitet. Modis Wirtschaftspolitik kommt bemerkenswert gut weg. So habe die plötzliche Bargeldeinschränkung im November 2016 die finanzielle Inklusion gestärkt und fast 40 Prozent der Bevölkerung kämen seit 2018 in den Genuss einer sozialen Basisversorgung. Das Buch stellt aber auch Indiens Unternehmenslandschaft vor, allen voran das Tata-Konglomerat, ordnet Indiens außerordentliche IT-Kompetenz ein und vergleicht mit den asiatischen Nachbarn, vor allem mit China. Ausführliche Quellenangaben dokumentieren sämtliche Angaben, aber leider fehlen die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Sie hätten das optimistische Narrativ zu Indiens wirtschaftlicher Zukunft vielleicht relativiert. Unklar bleibt auch, wie die geringe wirtschaftliche Teilhabe von Frauen Indien zur Welt-Wirtschaftsmacht führen soll: Offiziell erwirtschaften sie nämlich nur 18 Prozent des BIPs. Selbst deutlich ärmere Volkswirtschaften wie Nepal oder Kambodscha kommen auf 36 bzw. 41 Prozent.
Arora, Geschäftskultur in Indien[3]
Der indisch-stämmige Verfasser lebt seit fast 60 Jahren in Deutschland. Seine Landeskunde liefert Kaufleuten aus Deutschland zunächst kompakte Basisinformationen, z.B. zur Geschichte und Religion des Subkontinents. Daneben beruft sich Arora ausführlich auf Arbeiten des Kulturwissenschaftlers Hofstede und auf Experteninterviews. Die Anwendung von Hofstedes Erkenntnissen auf den indischen Geschäftsalltag wird mitunter sehr konkret, z.B. wenn es um die Bedeutung der Worte „heute“, „morgen“, „nächste Woche“ und „in zwei Wochen“ geht. Anderes bleibt dagegen abstrakt, z.B. das Thema „Machtdistanz“. Die über fünfzig Experteninterviews aus der deutschen Auto-, Chemie- und Maschinenbau-Industrie verdeutlichen unter anderem, wie hierarchisch indische Unternehmen im Vergleich zu deutschen organisiert sind und welche Hürden in Indiens Bürokratie liegen.
Kumar-Scott, Business success in India[4]
Kumar-Scott kennt sich in Indien, den USA und Europa bestens aus. Auf wenigen Seiten bietet er praktische Tipps, wie und in welchen Bereichen der geschäftliche Einstieg in Indien gelingen kann. Beispielsweise nennt er einen konkreten Dresscode für Frauen und Männer (kein Leder!) oder sinnvolle Gesprächsthemen rund um die Geschäftsanbahnung (nach der Familie fragen!). Auch grenzt er von den Usancen und Voraussetzungen in China ab und vergleicht mit dem erfolgreicheren Singapur. Auch Kumar erläutert, wie hinderlich Korruption, Bürokratie und fehlende Infrastruktur für die Geschäftsanbahnung in Indien seien. Sein Taschenbüchlein ist zwar schön kurz, aber dennoch weniger lesenswert als insbesondere Braun Alexanders Landeskunde.
Weiterlesen:
[1] Britta Kuhn, Ist Indien bald ein besserer Investitionsstandort als China? (Rezensionen), Fachbuchjournal, 2022, 14(1), S. 47-49, https://fachbuchjournal.partica.online/fachbuchjournal/fachbuchjournal-1-2022/flipbook/48/
[2], Michael Braun Alexander, Indien Superpower. Aufstieg einer Wirtschaftsmacht, Finanzbuchverlag, 2020.
[3] Madan M. Arora, Geschäftskultur in Indien. Kultureller Leitfaden für Doing Business in India, Cuvillier Verlag Göttingen, 2020.
[4] Pandit A. Kumar-Scott, Business success in India. A complete guide to build a successful business knot with Indian firms, Books on Demand Norderstedt, 2020.