Britta Kuhn
Beim digitalen Zentralbankgeld, kurz CBDC für „Central Bank Digital Currency“, ist China weiter als jede andere große Volkswirtschaft. In der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ZfgK[1] erläutere ich Anspruch und Wirklichkeit des e-CNY, so der offizielle Name.
Ziele innerhalb und jenseits Chinas
Offiziell will Chinas Zentralbank den inländischen Zahlungsverkehr für Endkunden (retail payment) im digitalen Zeitalter bequem, sicher, preiswert, inklusiv und datenschutzfreundlich gestalten. Daneben strebt sie nach eigener Aussage an, die Stabilität der Finanzmärkte und Gesellschaft angesichts riskanter Kryptowährungen zu sichern. Auch grenzüberschreitend solle CBDC vorangetrieben werden. Dies sei aber ein nachrangiges Ziel.[2] Tatsächlich versucht die chinesische Staatsführung wohl eher, eine staatliche Alternative zu den marktbeherrschenden privaten Zahlungsplattformen Alipay und WeChat Pay aufzubauen. Geldtransfers über private Kryptowährungen hat sie bereits verboten. Daneben dürfte sie daran interessiert sein, über die People’s Bank of China (PBOC) an umfangreiche Finanzdaten der Bevölkerung zu kommen. Den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr mit digitalen Renminbi treibt sie dagegen „nur“ in den Ländern der Belt and Road Initiative voran und per „mCBDC Bridge Project“ mit Hongkong, Thailand und VAE.[3]
Organisatorisch-technische Lösung
Die PBOC emittiert e-CNY an autorisierte Geschäftsbanken, die ihrerseits individualisierte Kunden-wallets, also digitale Geldbörsen eröffnen und verwalten. In diesem zweistufigen System gelte „managed anonymity“: Die Zentralbank kontrolliere nur ungewöhnliche Vorgänge. Kleinere Zahlungen seien ohne Konto, Internet oder Mobilfunknetz möglich. Der E-Yuan gleiche damit Bargeld: Er sei nämlich zinsloses Zentralbankgeld (M0), gesetzliches Zahlungsmittel und vertrauenswürdiger als private Kryptowährungen. Tatsächlich verzichtet China nicht nur auf eine Blockchain-Lösung. Ihre Zentralbank ist auch in der Lage, jede noch so kleine Zahlung persönlich zuzuordnen und umfassend auszuwerten. Anders als bei Bargeld könnte der E-Yuan außerdem mit beliebig hohen Negativzinsen einhergehen und wäre niemals anonym. Wie Bargeld bliebe er außerdem ungedecktes (Fiat-)Geld ohne intrinsischen Wert.[4]
Weitere Planung
China arbeitet schon seit 2014 am digitalem Zentralbankgeld. Schritt für Schritt wurden die Test-Szenarien ausgebaut. Dieses Vorgehen ist typisch für chinesische Großprojekte und erlaubt, mit einem weitgehend optimierten System an den Start zu gehen. Angeblich soll Bargeld weiter existieren, solange es noch nachgefragt wird. Darauf sollte aber niemand wetten. Wahrscheinlicher ist, dass bald nach den Olympischen Winterspielen staatliches Papiergeld in China Geschichte ist. Damit hätte China unbesichertes Papiergeld nicht nur als erstes Land der Welt eingeführt (nämlich im 13. Jahrhundert als gesetzliches Zahlungsmittel unter Kublai Khan – inklusive drohender Todesstrafe für Gläubiger, die es nicht akzeptieren wollten.[5] Sondern auch als erste große Volkswirtschaft durch eine weitere Innovation verdrängt, die dem Staat noch mehr Spielräume eröffnet.
Quellen:
[1] Britta Kuhn, E-Yuan: China führt bald digitales Zentralbankgeld ein. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (2022) 75(3) vom 1.2.2022, S. 154-158.
[2] Die Zusammenfassung der Zentralbanksicht beruht in diesem Blog-Beitrag durchweg auf dem offiziellen Whitepaper der PBOC, Working Group on E-CNY Research and Development of the People‘s Bank of China,Progress of Research & Development of E-CNY in China, Juli 2021. Synonyme der Literatur für den e-CNY: E-Yuan, e-RMB, digitaler Yuan, digitaler Renminbi, digitales Zentralbankgeld, Chinas CBDC.
[3] Details und Literaturhinweise bei Britta Kuhn, a.a.O., S. 155 f.
[4] Details und Literaturhinweise bei Britta Kuhn, a.a.O., S. 156 f.
[5] Eswar S. Prasad, The future of money. How the digital revolution is transforming currencies and finance, Cambridge, London 2021, S. 3 f.