Britta Kuhn
Warum überfiel Putin die Ukraine? Wie hält er sich an der Macht? Im Fachbuchjournal stelle ich ausführlich Bücher vor, die Antworten bieten.[1] Hier Teil 2 der Ultra-Kurzfassung.[2]
Investigativ-Journalismus
Die Journalistin Belton berichtet seit den 2000er Jahren aus und über Russland. Ihr 700-Seiten-Buch schöpft aus zahlreichen Tiefeninterviews mit ehemaligen Weggefährten Putins. Also mit Männern, deren Macht Putin zu groß wurde und die deshalb in Ungnade fielen. Es erklärt, wie Putin einen Gegenpol zu Jelzin und ein Geflecht ehemaliger KGB-Weggefährten um sich bildete, das offenbar bis heute perfekt funktioniert. Daneben zeigt die Autorin, wie korrupt es unter Jelzin zuging, welche Oligarchen sich in den damaligen 1990er Jahren wie bereicherten, wen von ihnen Putin warum durch andere „Silowiki“ (Machtmänner) ersetzte und was ihn selbst prägte – zum Beispiel seine KGB-Zeit in Dresden kurz vor und während des Zerfalls der Sowjetunion.
Von Abramowitsch bis Trump
Das Buch beginnt mit einer Übersicht der wichtigsten Protagonisten. Sie werden eingeteilt in 1. Silowiki, 2. KGB-nahe Geschäftsleute, 3. Wichtige Verwandte, Funktionäre und Geschäftsleute unter Boris Jelzin, 4. Mafiosi. Ihre Namen und Funktionen erläutere ich beispielhaft im Fachbuchjournal. Anschließend geht es in die Details, bei denen kein Protagonist zu kurz kommt. So pflegten beispielsweise die „Mafiosi“ nicht nur enge Kontakte zu KGB-nahen Geschäftsleuten, sondern auch zum New Yorker Immobilienmogul Donald Trump. Die Verfasserin weist dem späteren US-Präsidenten zahllose weitere Verstrickungen mit Putins Netzwerk nach.
Agenten-Thriller mit Vor- und Nachteilen
Akribisch beschreibt Belton, wie aus dem ehrgeizigen Kind Wladimir ein Präsident Putin wurde, der Russland seit über 20 Jahren mit immer härterer Hand regiert. Über 50 Fotos zeigen ihn und seine Männer (die einzige relevante Frauenrolle spielt Jelzins Tochter Tatjana). Ausführliche Quellen finden sich am Schluss. Die Mischung aus Fakten und detailreicher Erzählung liest sich spannend wie ein fiktiver Agenten-Thriller, verhindert aber angesichts zahlloser Nebensächlichkeiten eine schnelle Sachinformation. Dennoch reibt man sich selbst beim Querlesen die Augen: Das hier ist keine Fiktion. Sondern blutige Realität. Die auch erklärt, mit welcher (aus westlicher Sicht) Skrupellosigkeit und scheinbaren Unverdrossenheit Putin und seine Helfer in der Ukraine vorgehen.
Quellen:
[1] Britta Kuhn, Russland: Putin, in: Fachbuchjournal 6/2022, S. 12-14 (Rezension Landeskunde).
[2] Catherine Belton, Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste, HarperCollins Deutschland GmbH 2022. Originalausgabe “Putin’s People. How the KGB Took Back Russia and Then Took on the West” von 2020.