DEATON: FLÜCHTLINGE NEHMEN STATT ENTWICKLUNGSHILFE GEBEN


Britta Kuhn

Angus Deaton erhielt für seine umfangreichen empirischen Studien den Nobelpreis 2015. Seines Erachtens senkt Migration die globale Armut viel stärker als institutionelle Entwicklungshilfe.

Gesundheits- und Verteilungsforscher

Das Lebenswerk des inzwischen 71-jährige Schotte besteht vor allem aus empirischer Arbeit, insbesondere zur Verbindung von Konsum (Mikroökonomik) und Einkommen (Makroökonomik). Die größte öffentliche Aufmerksamkeit erhielt er jedoch für Forschung zur weltweiten Ungleichheit[1]. Sein Buch „The Great Excape“ bietet eine datengestützte Wirtschaftsgeschichte des globalen Gesundheits- und Vermögensfortschritts, verknüpft also qualitative und quantitative Wohlstandsmessungen. Kapitel 7 kritisiert fundamental die gängige Entwicklungshilfe von Regierungen und NGOs (Nichtregierungsorganisationen).

Institutionelle Entwicklungshilfe eher schädlich[2]

Nach Deaton resultiert Armut häufig aus versagenden Regierungen und Institution. Ausgerechnet diesen Regierungen Geld zu geben, würde die Armut nicht eliminieren, sondern endlos fortsetzen. Am Beispiel Afrika verdeutlicht er, dass dort mit steigender öffentlicher Entwicklungshilfe das Wachstum immer geringer wurde und nach Ende des kalten Krieges umgekehrt angesichts sinkender Zahlungen anzog. Die Effektivität von Entwicklungsprojekten sei schließlich viel niedriger als von Weltbank und NGOs behauptet. Vor allem die NGOs unterlägen nämlich dem starken Anreiz, Misserfolge zu verschweigen und Fortschritte zu übertreiben – andernfalls käme ihr „fund-raising business“ zu Erliegen[3].

Was Flüchtlinge für ihre Herkunftsländer leisten

Die weltweite Migration habe die globale Armut stärker reduziert als der Freihandel, meint der US-Einwanderer Deaton. Denn erstens verdienten die Wanderer in reichen Ländern viel mehr als im Herkunftsland. Zweitens seien ihre Rücküberweisungen wesentlich effektiver als Entwicklungshilfe: Sie würden den Familien damit unmittelbar helfen und diese außerdem ermächtigen, ein besseres Regierungsverhalten durchzusetzen[4]. Angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme sieht der Princeton-Forscher Einwanderung in den reichen Westen ebenfalls als die wirksamste Methode, den Armen in der Welt zu helfen[5].

Fazit

Ähnlich wie Armutsforscher Collier[6] verweist Deaton auf die entscheidende Rolle der Migration und hier speziell auf die höhere Effektivität privater Rücküberweisungen gegenüber institutioneller Entwicklungshilfe. Zumal öffentliche Gelder Korruption und schlechtes Regierungsverhalten eher fördern als senken, wie sich immer wieder zeigt[7]. Entwicklungshilfe speziell zwischen Regierungen dient daneben nicht in erster Linie der Armutsbekämpfung, wie folgendes Beispiel zeigt: Pro Einwohner, der täglich mit weniger als 1,90 US-Dollar auskommen musste, erhielt Nigeria im Jahr 2014 nur 27, die Türkei dagegen 6.645 US-Dollar. Darin war das milliardenschweren Flüchtlings-Abkommen zwischen der EU und der Türkei noch gar nicht enthalten.

Quellen:

[1] The Economist vom 17.10.2015, “Reality cheque”, p. 86.

[2] Angus Deaton, “The Great Escape. Health, Wealth and the Origins of Inequality”, Princeton/Oxford 2015, p. 15: “I have come to believe that most external aid is doing more harm than good.”

[3] Angus Deaton, a.a.O., p. 274 (endlose Fortsetzung der Armut), 285 (Beispiel Afrika) und 290 (Reporting von NGOs).

[4] Angus Deaton, a.a.O., p. 323.

[5] Ralph Bollmann und Lisa Nienhaus, „Lieber Flüchtlinge nehmen als Geld geben“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 18.10.2015, S. 23.

[6] Paul Collier, „Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen“, München 2014. Auf diesem Blog: https://besser-wachsen.com/2015/01/09/armutsmigration-sollte-aufnahme-und-herkunftsgesellschaften-nutzen/

[7] Dazu und zum Folgenden ausführlich: The Economist vom 11.6.2016, „Misplaced charity”, http://www.economist.com/news/international/21700323-development-aid-best-spent-poor-well-governed-countries-isnt-where-it (Zugriff 23.9.2016).

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