TECHNIK- STATT GLOBALISIERUNGSKRITIK?


Britta Kuhn

Die wirtschaftliche Globalisierung dient inzwischen als Sündenbock für viele Arbeitsmarktentwicklungen, die auch Verlierer erzeugen – vor allem in den USA. Dabei spielen technologische Veränderungen oft die größere Rolle, wie ich unter : http://www.ludwig-erhard.de/orientierungen/auslaendische-konkurrenz-zu-unrecht-am-pranger/ ausführlich zeige.[1]

Automatisierung in den USA

Mein Beitrag in den Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik beantwortet anhand jüngerer Studien, wie viele Arbeitsplätze in den USA und anderen Ländern bereits dem technischen Fortschritt zum Opfer fielen und was die Zukunft bringt. Hier zwei beispielhafte Studienergebnisse für die USA, deren aktuelle Regierung besonders globalisierungskritisch agiert:

  • Zwischen 1990 und 2007 senkte jeder neue Roboter je 1.000 Arbeitskräften in der US-Industrie die Beschäftigungsquote um 0,18 bis 0,37 Prozentpunkte und die Löhne bzw. das Lohnwachstum um 0,25 bis 0,73%. Abhängig davon, wie stark eine Branche der Automatisierung ausgesetzt war, ersetzte demnach ein Roboter drei bis 6,2 Arbeiter. Besonders betroffen waren Männer ohne Collegeausbildung.[2]
  • Das gesamte künftige Automatisierungspotenzial der USA erreicht 46% bzw. 60 Mio. Vollzeitbeschäftigte. Die Bandbreite reicht von 73% gefährdeten Stellen bei Beherbergungsbetrieben und Lebensmitteldienstleistungen bis zu vergleichsweise niedrigen 27% im Bildungswesen.[3]

Weitere Studien, die ich in dem Beitrag ausführe, zeigen z.B., dass eine restriktive US-Einwanderungspolitik in der Vergangenheit nicht die einheimischen Löhne und Beschäftigungsmöglichkeiten verbesserte, sondern den technischen Fortschritt beschleunigte. Oder dass Quasi-Monopole wie Facebook die Lohnquote senkten.

Ist die Globalisierungskritik der USA ein Sonderfall?

Ja und nein. Einerseits wird die wirtschaftliche Globalisierung außerhalb der USA häufig weniger stigmatisiert. Neue Berufsfelder und Absatzmärkte kompensierten z.B. in Deutschland die negativen Arbeitsmarkteffekte von Importkonkurrenz viel besser als in den USA. Andererseits arbeiten auch hierzulande 42% der Arbeitskräfte in Berufen, die mit einer Wahrscheinlichkeit von über 70% binnen zehn bis zwanzig Jahren automatisiert werden dürften. Menschen ohne mindestens Hauptschulabschluss sind dabei am meisten gefährdet, Promovierte am wenigsten.[4]

Zunehmender Technikeinsatz betrifft die Arbeitsmärkte zahlloser Exportnationen. Fast alle OECD-Staaten erlebten z.B. zwischen 1995 und 2015 eine Stellenpolarisierung im Hoch- und Niedriglohnsektor, während mittlere Qualifikationen deutlich verloren. In den nächsten 10-20 Jahren sind im OECD-Durchschnitt 34% der Stellen gefährdet oder werden sich stark verändern.[5] In den südostasiatischen Ländern Indonesien, Südkorea, Taiwan und Thailand werden z.B. Roboter bereits im Jahr 2025 bis zu 40% der Produktionsleistung übernehmen.[6] Das gesamte Automatisierungspotenzial von immerhin 46 Volkswirtschaften weltweit könnte bis 2055 sogar durchschnittlich 50% erreichen. Das entspräche 1,1 Mrd. Vollzeitstellen und 15,8 Bio. US-$ Lohn.[7]

Fazit: Technik und Globalisierung ändern unsere Lebensbedingungen!

Nicht jeder deutsche Schulabbrecher wird arbeitslos, weil syrische Einwanderer ihn ersetzen. Und nicht jeder ehemalige Monteur arbeitet wegen chinesischer Importe heute schlechter bezahlt als Paketzusteller. Automatisierung und Globalisierung hängen zwar eng zusammen. Wer jedoch offene Märkte kritisiert, hat in Wirklichkeit häufig Probleme mit technischem Fortschritt. Das sollte die politische Debatte deutlicher machen und die eigentliche Herausforderung intensiver angehen: Die Menschheit optimal aus- und fortzubilden.

Quellen:

[1] Britta Kuhn, Ausländische Konkurrenz zu Unrecht am Pranger. Ludwig-Erhard-Stiftung, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 1.2.2018.

[2] Daron Acemoglu und Pascual Restrepo: Robots and Jobs: Evidence from US Labor Markets, Working paper, 17.3.2017, S. 4 f.; weitere Details bei Britta Kuhn, a.a.O, Abschnitt “Automatisierung und der US-Arbeitsmarkt”.

[3] James Manyika, Michael Chui, Mehdi Miremadi, Jacques Bughin, Katy George, Paul Willmott, Martin Dewhurst: A Future That Works: Automation, Employment, and Productivity, , in: McKinsey Global Institute (2017), v.a. S. 4, 7 und 9; weitere Details bei Britta Kuhn, a.a.O, Abschnitt “Automatisierung und der US-Arbeitsmarkt”.

[4] Holger Bonin, Terry Gregory, Ulrich Zierahn: Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland. ZEW Kurzexpertise, Nr. 57 (2015), S. i. Weitere Details und empirische Untersuchungen bei Britta Kuhn, a.a.O., Abschnitt „Sonderfall Deutschland?“

[5] OECD Employment Outlook 2017, in: OECD Publishing, Paris 2017, S. 10, 121, 107; weitere Details und empirische Untersuchungen bei Britta Kuhn, a.a.O, Abschnitt “Automatisierung und Arbeitsmärkte in weiteren Industrie- und Schwellenländern”.

[6] Vgl. Harold L. Sirkin / Michael Zinser / Justin R. Rose: The Robotics Revolution: The Next Great Leap in Manufacturing, in: The Boston Consulting Group 2015, S. 16–19 und S. 4. Weitere Details bei Britta Kuhn, a.a.O, Abschnitt “Automatisierung und Arbeitsmärkte in weiteren Industrie- und Schwellenländern”.

[7] James Manyika et al., a.a.O., S. ii und 9. Weitere Details bei Britta Kuhn, a.a.O, Abschnitt “Automatisierung und Arbeitsmärkte in weiteren Industrie- und Schwellenländern”.

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