Britta Kuhn
In „Die neue Ordnung des Geldes“ beantwortet Thomas Mayer grundlegende Fragen zu Geld, Inflation und Zins. Er verdeutlicht unterschiedliche geldtheoretische Sichtweisen und geldpolitische Interessen. Einen Systemwechsel zum „Aktivgeld“ hält er für notwendig und machbar, aber für politisch unerwünscht. Insgesamt ein lehrreiches und mutiges Buch[1].
Vorteile der Aktivgeldordnung
In unserem heutigen Passivgeldsystem schaffen Kreditinstitute „Giralgeld“ und Kredit aus dem Nichts[2]. Immer mehr Ökonomen kritisieren, dass diese Geldordnung die eigentliche Ursache von Systeminstabilitäten und zunehmender Vermögenskonzentration sei. Im Detail unterscheiden sich zwar ihre Reformvorschläge. Alle aber kritisieren die ungehemmte Verschuldungsmöglichkeit, die aus der heutigen Geldordnung resultiert, von radikalliberalen Denkern der österreichischen Schule wie Huerta de Soto bis zur intellektuellen Bloccupy-Ikone Graeber[3]. Denn die unkontrollierte Geldschöpfung der Kreditwirtschaft führt zu unerwünschten Finanzmarktblasen und Machtverschiebungen.
In der Aktivgeldordnung ist dagegen jeder Kredit letztlich gedeckt – sei es durch Zentralbankgeld, Edelmetalle wie Gold, Internetwährungen wie Bitcoins oder anderes, nicht beliebig vermehrbares „Warengeld“. Dadurch kontrolliert die Zentralbank oder ein anderer Anbieter die Geld- und damit Kreditmenge im System. Blasen sind nicht möglich, das Vertrauen in die Geldordnung profitiert, was wiederum das System stabilisiert.
Übergang: Politisch unerwünscht, aber machbar
Warum kam es bisher nicht zum Systemwechsel? Nach Ansicht des ehemaligen Chefökonoms der Deutschen Bank widerspricht die Aktivgeldordnung den Interessen hoch verschuldeter Regierungen, der Banken und der Vermögenden. Kritikern der zunehmenden Einkommens- und Vermögensspreizung wie Piketty empfiehlt er daher ein Einschwenken auf die Aktivgeldordnung: Wo keine unkontrollierte Kreditvergabe, dort auch kein ungleicher Zugang zu Geld und Kredit[4].
Mayer konkretisiert einen schrittweisen Übergang von der Passiv- zur Aktivgeldordnung und verweist auch auf ähnliche Übergangsszenarien in der Literatur. Damit will er beweisen, dass ein planvoller Systemwechsel möglich und einem abrupten Kollaps des heutigen Systems überlegen wäre[5].
Fazit: Ein lehrreiches und mutiges Buch
Wie alles lässt sich auch dieses Buch im Detail kritisieren[6]. Das große Verdienst Mayers liegt jedoch erstens darin, die Unterschiede zwischen Aktiv- und Passivgeldordnung verständlich anhand vereinfachter Geschäftsbank- und Zentralbankbilanzen aufzuzeigen[7]. Zweitens stellt er seine Gedanken in einen umfassenden Kontext volkswirtschaftlicher Lehrmeinungen hinsichtlich Schlüsselbegriffen wie Geld, Inflation und Zins. Damit fördert er pluralistisches Denken, geht den Begrifflichkeiten auf den Grund und ordnet seine Vorschläge in eine Reihe ähnlicher Gedanken wie Hubers Vollgeld ein, auch wenn er sich persönlich den Gedanken der österreichische Schule verbunden sieht[8]. Drittens verdeutlichen seine wirtschaftshistorischen Ausführungen, dass Regierungen in puncto Geldordnung nicht erst heute Sonderinteressen jenseits des Gemeinwohls verfolgen. Es erstaunt nicht, dass der mutige Autor sein Buch erst nach Ausscheiden aus der Deutschen Bank verfassen konnte[9].
Quellen:
[1] Thomas Mayer, „Die neue Ordnung des Geldes. Warum wir eine Geldreform brauchen“, München, 2. Auflage 2015.
[2] Thomas Mayer, a.a.O., v.a. Kapitel 1-2. Zur Grundsätzlichen Funktionsweise siehe auch https://besser-wachsen.com/2014/03/28/vollgeld-verhindert-finanzkrisen/Details.
[3] Vgl. Jesús Huerta de Soto, „Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen“, Stuttgart 2011; David Graeber, „Schulden: Die ersten 5000 Jahre“, Stuttgart 2012.
[4] Zum Verteilungseffekt der Passivgeldordnung vgl. Thomas Mayer, a.a.O., z.B. S. 93: Seit Mitte der 1980er Jahre „wurden die schon Vermögenden immer reicher, weil sie leichter an Kredit und damit an die wirtschaftlichen Vorteile der Geldvermehrung kamen. Die ärmeren Schichten (…) gingen leer aus.“ In einer Fußnote (S. 240) verweist Mayer entsprechend auf Daniel Stelters Buch „Die Schulden im 21. Jahrhundert. Zu Piketty vgl. Thomas Mayer, a.a.O., S. 114 oder https://besser-wachsen.com/2014/10/08/ist-piketty-der-neue-marx/.
[5] Mayers Übergangsszenario: Thomas Mayer, a.a.O., Zusammenfassung auf S. 235 f., Zitat S. 236: „In diesem Buch habe ich versucht, zu zeigen, dass dies (Anm. Kuhn: Systemwechsel von Passiv- zu Aktivgeldordnung) im Rahmen einer Evolution unseres bestehenden System möglich ist. Ob wir diesen Weg gehen oder uns gegen Veränderungen so lange sperren, bis unsere Geldordnung in einer großen Geldkrise zusammenbricht, wird davon abhängen, ob wir die Scheuklappen ablegen und endlich eine breite Diskussion über die neue Ordnung unseres Geldwesens beginnen.“ Übergangsdetails: Kapitel 6, v.a. S. 146 ff.; Ähnliche Szenarien: Ebenda, S. 142 f. und v.a. Anmerkung 95, S. 253 zu seinem Namensvetter Thomas Mayer, „Sieben Verfahren, Vollgeld in Umlauf zu bringen und zu verbuchen“, Nov. 2013.
[6] Z.B. erscheinen Mayers Einwände an Hellwigs Kritik am System statt des Systems (S. 57 und 60) bzw. an Pikettys Bestseller (S. 114 und 122 ) ein wenig neidisch, denn immerhin sind die Einlassungen dieser „Starökonomen“ besser als nichts. Auch sind es der Grundlagen manchmal zu viele (z.B. Kapitel 3). Schließlich wirkt die Anlehnung an die österreichische Schule zuweilen etwas blauäugig (z.B. S. 161 staatliche Wettbewerbsaufsicht bei Währungswettbewerb à la von Hayek).
[7] Thomas Mayer, a.a.O., Kapitel 1-2 und 6.
[8] Geld: Kapitel 1-2, Inflation: Kapitel 4, Zins: Kapitel 5. Besonders interessante Einzelvergleiche: S. 30 (Rolle des Geldes); S. 56 ff. (Darstellung und Kritik des Modigliani-Miller-Theorems); S. 86 ff. (Quantitätstheorie versus österreichische Schule hinsichtlich Inflation); S. 100 (Zins in der österreichischen, neoklassischen und keynesianischen Theorie).
[9] Besonders interessante wirtschaftshistorische Einzelbeispiele: S. 54 f. (Chicago-Plan); S. 97 f. (Zusammenhang Passiv- versus Aktivgeldsystem und Inflation in England); S. 137 (Currency- versus Banking-Schule). Mayers Fazit auf S. 99: „Da in unserem System des Passivgeldes Verschuldung eine elementare Rolle für Investitionen und Wirtschaftswachstum spielt, ist Deflation der größte Feind dieses Systems.“