Britta Kuhn
Benjamin Ehingers Bachelor Thesis zeigt, wie die Pflege von AAL-Technik profitiert[1]
Technische Unterstützungssysteme, sogenanntes Ambient Assisted Living, steht in Deutschland erst am Anfang. Zu Unrecht.
Pflegenotstand benötigt Antworten
Spätestens nach Alexander Jordes‘ Auftritt in der Wahlarena vom 11.9.2017 war klar: Die vom Pflege-Azubi scharf kritisierte Bundeskanzlerin muss den Pflegenotstand spürbar mildern. Tatsächlich plant der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD insbesondere finanzielle Verbesserungen in Pflegeberufen und für angehörige Pflegende. Die Wörter „Ambient Assisted Living“ bzw. AAL oder „Roboter“ umfassen diese Vorschläge aber nicht.[2] Dabei steht der eigentliche Pflegenotstand erst noch bevor, nämlich wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Hilfe benötigen. Aber auch schon vorher, wie die Thesis zeigt.[3] Dann dürften finanzielle Anreize kaum noch reichen. Neben der Globalisierung – also z.B. der Pflege im preiswerten Ausland – werden vielmehr kreative technische Lösungen an Bedeutung gewinnen. Dieser Blog diskutierte bereits vor sechs Jahren Roboter und deutete das Potenzial digitaler Helfer an.[4] Die aktuelle Thesis widmet sich AAL nun ausführlich.
Ambient Assisted Living (AAL) nützt allen Beteiligten[5]
AAL-Systeme im engeren Sinn erkennen und interpretieren automatisch Situationen innerhalb der Wohnung. AAL-Systeme im weiteren Sinne sind daneben nach außen vernetzt Der intelligente Hausnotruf löst z.B. selbständig Alarm aus, wenn der Bewohner stürzt. Beim Telemonitoring schlafen Pflegebedürftige z.B. in einem Bett mit Sensormatte, die ihre Atem- und Herzfrequenz an externes Betreuungspersonal übermittelt.
AAL nützt allen Beteiligten. Die Nutzer der digitalen Assistenten können länger selbständig zuhause leben – ein großer Wunsch der meisten Menschen. Pflegende Angehörige werden entlastet. Professionelle ambulante, aber auch stationäre Pflegekräfte können sich auf die wirklich wichtigen Pflegeaufgaben konzentrieren. Die Effizienz- und Effektivitätsverbesserungen entlasten daneben die Pflege- und Krankenversicherung, zumal sich die Systeme auch präventiv nutzen lassen. Trotz dieser greifbaren Vorteile ist AAL in Deutschland noch erstaunlich unterentwickelt.
Tragen die Argumente gegen AAL?
Die Thesis verdeutlicht, was den AAL-Einsatz bisher verzögert: Die Assistenzsysteme sind noch relativ teuer und werden von den Kranken- bzw. Pflegekassen nicht erstattet. Daneben könnte die Akzeptanz bei den Pflegebedürftigen und beim Pflegepersonal fehlen, weil Technik z.B. zu Vereinsamung, Einarbeitungsproblemen und Fehlern führen kann. Auch Haftung und Datenschutz wären zu klären. Schließlich existiert noch kein Standard, der sich zentral steuern und modular ausbauen lässt. Allerdings erscheinen diese Hemmnisse überwindbar, beispielsweise durch eine finanzielle Erstattung nachweislich sinnvoller AAL-Systeme. Auch könnten deren Vorzüge stärker gefördert und vermarktet werden.[6]
Fazit
Die Thesis fordert mehr Studien, die den AAL-Nutzen nachweisen. Auch hält sie diese Technologie in Deutschland für erfolgversprechender als die in Japan verbreiteten Roboter – selbst wenn beide Varianten auch hierzulande künftig wichtiger würden.[7]
Quellen:
[1] Benjamin Ehinger, „Begegnung des Pflegenotstands in Deutschland durch Ambient Assisted Living“, Bachelor Thesis, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain, 9.3.2018.
[2] Wahlarena-Auftritt Jordes: Z.B. https://www.youtube.com/watch?v=WClqdJSgsok; Koalitionsvertrag: Z.B. https://www.cdu.dedokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf /system/tdf/media/(Zugriff beide: 19.3.2018).
[3] Vgl. detailliert Benjamin Ehinger, a.a.O., v.a. Kap. 2.
[4] https://besser-wachsen.com/2012/04/19/machine-to-machine-in-der-seniorenpflege/ und https://besser-wachsen.com/2012/09/26/bessere-gesundheit-steigert-den-wohlstand/ (letzter Absatz)
[5] Vgl. detailliert: Benjamin Ehinger, a.a.O., Kap. 3.
[6] Vgl. detailliert: Benjamin Ehinger, a.a.O., Kap. 4 und Abschnitt 5.2.
[7] Vgl. Benjamin Ehinger, a.a.O., Abschnitte 5.1 und 5.3.